Unsere Schlüssel zum Himmelreich

Text: Matthäusevangelium 16, 13-20 - Einheitsübersetzung neu

13 Als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger und sprach: Für wen halten die Menschen den Menschensohn? 14 Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten. 15 Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? 16 Simon Petrus antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! 17 Jesus antwortete und sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. 18 Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. 19 Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein. 20 Dann befahl er den Jüngern, niemandem zu sagen, dass er der Christus sei.

Gedanken

Ein Religionslehrer eines Gymnasiums hat von einer Äußerung einer Schülerin der Oberstufe erzählt, die ihn heilsam aufgerüttelt hat. Sie sagte: "Herr Professor, wenn ich Ihnen so zuhöre, wie Sie von Gott und von Jesus reden, da bekomme ich den Eindruck, Sie vermitteln uns hier etwas, was Sie in Büchern gelesen haben und uns wie einen kalten, toten Gegenstand weitergeben. Das kommt mir alles so abgehoben und weit weg von Ihrem Leben vor. Was Sie uns da erzählen, das sind nicht Sie! Mich würde viel mehr interessieren, was der Glaube Ihnen selber bedeutet und wie Sie ihn leben."

Diese Schülerin hat etwas angesprochen, was für Theologen und berufsmäßige Glaubensverkünder ganz allgemein zur Gefahr werden kann. So wie ein Biologe, der die Blüte einer Blume rein wissenschaftlich, persönlich aber unberührt untersucht und nicht ins Staunen kommt angesichts ihres Wunderwerkes und ihrer geheimnisvollen Schönheit, genauso kann ein Theologe/eine Theologin und ein Glaubensverkünder/eine Glaubensverkünderin ohne persönliche Begeisterung und Überzeugung von Gott wie von einem wissenschaftlichen Objekt reden. Was er/sie sagt, mag theologisch wissenschaftlich richtig sein, hinterlässt aber in seinem/ihrem Inneren und in seinem/ihrem Leben wenige Spuren einer freudigen Begeisterung und Überzeugung. Seine/ihre Worte sind auch wenig imstande, andere für Gott zu begeistern.

Die Frage Jesu: "Ihr aber, für wen haltet ihr mich?" ist eine persönliche und verlangt keine einstudierte, von irgendwelchen hochgeistigen Denkern übernommene, sondern eine persönliche Antwort, hinter der das persönliche Leben stehen muss.

Theologie und Glaubensverkündigung ohne gelebten Glauben sind tot. Und Kirche, die nur darauf bedacht ist, den kostbaren Schatz und Reichtum des Glaubens zu hüten und unversehrt zu bewahren, diesen Reichtum aber nicht lebt und tagtäglich in ihrem Reden und (!) Tun umsetzt, ist genauso tot. So eine Kirche ist vergleichbar mit einer Nachlass-Verwalterin.

Jesus stellt die Frage: "Für wen hältst du mich?" an Petrus und an alle seine Jüngerinnen und Jünger zu allen Zeiten. Wer bin ich für dich? Gib mir keine theoretische Antwort aus Büchern, sondern beantworte meine Frage mit deinem Herzen und mit deinem Leben!

Damit wird auch deutlich, was mit dem Felsen gemeint ist, auf den Jesus die Kirche baut: Es ist nicht der Petrus als Mensch, es sind nicht der Christ oder die Christin als Menschen, es ist nicht die Kirche als Institution, sondern sein und ihr Glaube, der sich ausdrückt in Taten der Liebe.

Und die todbringenden, dunklen Mächte dieser Welt sind der Macht der aus gelebtem Glauben hervorgehenden Liebe unterlegen.

Damit wird auch deutlich, was mit den Schlüsseln zum Himmelreich gemeint ist. Welche Schlüssel öffnen den Zugang zum Himmel, nämlich zu Erfahrungen von Himmel im Leben vor dem Tod?

Die Schlüssel zum Himmelreich sind der Glaube, der sich ausdrückt in Taten der Liebe. Er öffnet unser Leben zu Erfahrungen von Himmel schon hier und jetzt. Diese Schlüssel hat Jesus dem Petrus übergeben und damit aufgetragen: Petrus, lebe den Glauben, setz ihn um in Taten der Liebe! Geh voran und stärke durch deinen gelebten Glauben den Glauben deiner Schwestern und Brüder!

Damit wird auch deutlich, dass die Schlüssel zum Himmelreich nicht nur dem Petrus, sondern allen Christinnen und Christen zu allen Zeiten von Christus in die Hand und ans Herz gelegt sind. Jede und jeder von uns hat Möglichkeiten, anderen den Weg zu Erfahrungen von Himmel zu erschließen oder zu behindern und zu versperren.

Damit wird schließlich auch deutlich, was mit "Binden" und "Lösen" gemeint ist. Mit Macht, Machtansprüchen und Machtpositionen hat "Binden" und "Lösen" gar nichts zu tun. Binden und Lösen sind Lebenshilfen für den "Himmel auf Erden": der Arme, Leidende, Kranke, der von Angst, Abhängigkeit oder Schuld Gefesselte braucht Lösung, Er-Lösung. Der Haltlose, Orientierungslose, der an seinem Leben Zweifelnde oder Verzweifelnde braucht Bindung an Gott und seine ewige Liebe und liebevolle Beziehungen im zwischenmenschlichen Bereich. Daraus erwachsen Lebenssinn und Lebensfreude.

Es geht also in diesem Evangelium nicht nur um die Würde und das Amt eines einzelnen Kirchenmannes, sondern um die Würde und das Amt jedes einzelnen Christen/jeder einzelnen Christin. Uns allen hat Christus die Schlüssel zum Himmelreich übergeben. Und uns allen ist das Binden und Lösen ans Herz gelegt.