Die Mitte der Nacht ist der Anfang des Tages
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Die Mitte der Nacht ist der Anfang des Tages

Der Satz 'Die Mitte der Nacht ist der Anfang des Tages' klingt wie ein poetisches Wort und birgt eine tiefe Wahrheit des Glaubens. Er führt uns mitten hinein in die Erfahrung von Dunkelheit und Licht, von Ende und Anfang, von Verzweiflung und Hoffnung.

Die Nacht ist in der Bibel oft ein Bild für das, was uns niederdrückt: die Nacht unserer Ängste, die Nacht des Leidens, die Nacht der Trauer. In der Mitte der Nacht scheint alles besonders dunkel. Wer schon einmal schlaflos gewacht hat, kennt diese Stunde: die Zeit, in der man meint, der Morgen käme nie, in der Sorgen und Gedanken lauter werden als am Tag. Es ist die Stunde, in der wir uns ohnmächtig fühlen und meinen: 'Das Dunkel hört nicht mehr auf.' Auch die Bibel kennt diese Erfahrung: Israel seufzte in der Nacht der Knechtschaft in Ägypten. Jesus selbst durchlitt die Nacht der Todesangst in Gethsemane. Und am Kreuz senkte sich Dunkelheit über die Erde.

Hier lohnt sich ein Blick auf die Naturwissenschaft. Absolute Finsternis gibt es nicht. Selbst dort, wo kein Stern mehr leuchtet, kein Lichtstrahl zu sehen ist, kein menschliches Auge etwas wahrnimmt - auch dort ist es nicht vollkommen dunkel. Denn das Universum ist erfüllt von unsichtbarer Bewegung: Milliarden von Neutrinos strömen in jedem Augenblick durch unser Leben, durch unsere Körper, durch die gesamte Schöpfung. Sie sind für unsere Augen unsichtbar, doch sie bezeugen: völlige Leere, absolute Finsternis, gibt es nicht. Bildhaft gesagt: Es gibt keine absolute Finsternis. Selbst wenn wir meinen, dass alles dunkel ist, gibt es noch etwas, das wir nicht sehen: die Neutrinos. Diese winzigen Teilchen schießen in unvorstellbarer Zahl durch das ganze Universum - auch durch unsere Körper, jede Sekunde, ohne dass wir es merken. Sie sind unsichtbar, unaufhaltsam, überall gegenwärtig. So wie die Neutrinos uns daran erinnern, dass es in der Schöpfung niemals völlige Dunkelheit gibt, so bezeugt auch die Bibel: 'Ja, in der Dunkelheit schien es auf, das Licht. Die Dunkelheit konnte es nicht überwältigen.' (Joh 1,5). Das ist die Hoffnung des Glaubens: Gottes Licht ist da, selbst wenn wir es nicht sehen. Keine Nacht ist absolut. Kein Dunkel bleibt ewig.

Mitternacht ist nicht nur der tiefste Punkt der Finsternis, sie ist zugleich der erste Augenblick des neuen Morgens. Noch sehen wir nichts, noch liegt alles im Dunkeln - aber die Zeit hat sich schon gewendet. Das Licht ist im Kommen, unaufhaltsam. So ist es auch im Glauben: Gott lässt uns nicht in der Nacht. Sein Heil bricht mitten im Dunkel an. In Ägypten kam in der Nacht die Befreiung: In der Passanacht zog Israel aus in die Freiheit. In der Nacht, als Paulus und Silas im Gefängnis saßen und sangen, öffneten sich die Türen (Apg 16). Und in der Nacht von Karsamstag auf Ostermorgen, da hat Gott seinen Sohn vom Tod erweckt. Die Auferstehung geschah nicht im hellen Tageslicht, sondern in der Finsternis des Grabes. Dort, wo alles verloren schien, begann das neue Leben.

Diese Botschaft gilt auch uns. Vielleicht stehen wir gerade selbst in einer Nacht - in der Nacht der Krankheit, der Sorge um einen Menschen, der Ratlosigkeit über unsere Zukunft. Vielleicht spüren wir Dunkelheit in unserer Gesellschaft: Kriege, Ungerechtigkeit, Zerrissenheit. Doch mitten in dieser Nacht sagt uns das Evangelium: Es ist schon Tag geworden. Noch sehen wir das Licht nicht klar, aber es ist da. Das Dunkel hat seine Macht schon verloren. So kann der Satz zu einem Glaubensbekenntnis werden: Wenn ich mitten im Schmerz bin - dann ist da schon der Anfang der Heilung. Wenn ich in der Trauer bin - dann ist da schon die Verheißung des Trostes. Wenn ich mich verloren fühle - dann ist da schon die Zusage: 'Ich bin bei dir alle Tage.'

Was heißt das für uns Christen? Es heißt: Wir leben vom Morgen her, auch wenn es noch Nacht ist. Wir geben die Hoffnung nicht auf. Wir halten fest an der Verheißung. Wir gehen Schritte des Glaubens, auch wenn der Weg dunkel ist. Manchmal sind wir wie Nachtwächter, die spüren: Die Dunkelheit ist noch da, aber der Morgen kommt. Und wir sagen es weiter, damit andere sich nicht fürchten.

'Die Mitte der Nacht ist der Anfang des Tages.' Darum: Lasst uns glauben, dass Gottes Licht schon angebrochen ist. Und lasst uns einander Zeichen des kommenden Morgens sein. Denn das ist die Hoffnung unseres Glaubens: Kein Dunkel bleibt ewig. Keine Nacht ist stärker als Gottes Licht. Kein Grab ist tiefer als seine Liebe.