Stolz und Demut begegnen sich
generiertes Bild: Stolz und Demut begegnen sich

Klicke auf das Bild, um es zu vergrößern!

Stolz und Demut begegnen sich

Text: Lukasevangelium 18, 9–14 - Übersetzung: Das Buch

9 Dann erzählte Jesus einigen Leuten, die davon überzeugt waren, dass sie gerecht und viel besser waren als alle andern, diese Beispielgeschichte: 10 'Zwei Männer wanderten hinauf zum Tempel, um dort zu beten. Der eine war ein Pharisäer und der andere ein Steuereintreiber. 11 Der Pharisäer stand für sich allein und verrichtete sein Gebet mit diesen Worten: 'O Gott, ich sage dir Dank, dass ich nicht so bin wie die übrigen Menschen, die Räuber, Ungerechten, Ehebrecher und auch nicht wie dieser Steuereintreiber! 12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe ganz genau den zehnten Teil von allen meinen Einnahmen.' 13 Aber der Steuereintreiber stand in der hintersten Reihe und wagte es nicht, seine Augen zum Himmel aufzuheben. Stattdessen schlug er sich mit der Faust auf die Brust und sagte: 'Gott, vergib mir! Denn ich bin ein Sünder, durch und durch.' 14 Ich sage euch: 'Dieser Mann ging wieder vom Tempel nach Hause und hatte Gottes Vergebung erfahren, anders als der Pharisäer. Denn jeder, der sich selbst über andere erheben will, wird erniedrigt werden. Wer aber demütig ist, wird hoch erhoben werden.'

Gespräch zwischen dem selbstgerechten Pharisäer und dem demütigen Steuereintreiber

Nach der Begegnung im Tempel, auf einer Bank im Garten außerhalb des Tempels.

Pharisäer (zögernd):

Ich hätte nie gedacht, dass wir einmal so nebeneinander sitzen würden. Im Tempel ... standest du immer hinten, fast im Schatten. Ich habe nicht einmal versucht, dich anzusehen.

Steuereintreiber (sanft):

Ich weiß. Aber das war nicht nur dein Blick. Ich habe mich selbst dort hinten versteckt. Aus Scham. Aus Schuld. Aus dem Gefühl, Gott nicht zu genügen.

Pharisäer (blickt zu Boden):

Ich ... habe mich über dich erhoben. Ich dachte, ich wäre besser. Ich habe aufgezählt, was ich tue - faste, spende, bete - und glaubte, das gäbe mir mehr Wert. Doch heute ... habe ich gespürt, wie leer das klingt.

Steuereintreiber (nachdenklich):

Und ich habe gespürt, dass Gott mich nicht verachtet, selbst wenn ich schwach bin. Ich habe nichts vorzuweisen. Keine frommen Werke. Nur ein Herz, das schreit: 'Gott, sei mir Sünder gnädig.'

Pharisäer:

Ich habe jahrelang gelehrt, dass der Fromme durch seine Taten lebt. Aber jetzt frage ich mich: Ist es wirklich richtig vor Gott, wenn ich mich wegen meiner Religiosität über andere erhebe?

Steuereintreiber:

Vielleicht ist es keine echte Frömmigkeit, wenn sie trennt. Echte Frömmigkeit ... bringt uns zusammen. Vor Gott stehen wir beide mit leeren Händen. Und genau dort fängt Gnade an.

Pharisäer (leise):

Ich habe immer gedacht, ich müsste mich mit meinen religiösen Leistungen vor Gott beweisen. Aber vielleicht ... ist das gar nicht möglich.

Steuereintreiber (mit ruhigem Lächeln):

Du musst es nicht. Niemand muss es. Gnade kann man nicht verdienen. Man kann sie nur empfangen.

(Eine kurze Pause)

Pharisäer:

Deine Worte ... sind einfach, aber sie treffen tief. Vielleicht bist du heute der Lehrer, und ich der Schüler.

Steuereintreiber:

Wir lernen beide. Du aus deiner Stärke, ich aus meiner Schwäche. Vielleicht ist das der Ort, an dem wir einander begegnen.

Pharisäer (nickt langsam):

Dann ... lass uns einander zuhören. Und nicht mehr auf die Plätze achten - vorn oder hinten.

Worte des Lebens für uns

Manchmal geschieht das Entscheidende nicht dort, wo die großen Worte gesprochen werden - nicht im Tempel, nicht auf der Kanzel, nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Manchmal geschieht es unauffällig, draußen im Garten, auf einer einfachen Bank.

Dort sitzen zwei Männer nebeneinander. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Der eine - ein Pharisäer, sicher in seinem Glauben, standhaft in seinen Prinzipien, stolz auf seine religiösen Leistungen. Der andere - ein Steuereintreiber, ein Mann mit Schuld auf der Seele, demütig, zurückgezogen, innerlich gebeugt. Im Tempel standen sie weit voneinander entfernt: der eine vorn, der andere hinten. Zwischen ihnen lag nicht nur Raum, sondern eine unsichtbare Mauer aus Urteilen, Selbstbildern und Rollen. Doch jetzt sitzen sie auf einer Bank. Kein Weihrauch, keine liturgischen Gesten, keine Zuschauer. Nur zwei Menschen im Gespräch.

Der Pharisäer bricht das Schweigen: 'Ich habe immer gedacht, mit meiner Frömmigkeit, mit meiner genauen Einhaltung der religiösen Gebote und Verbote stehe ich vor Gott besser da als du.' Es ist ein Satz, der schwer ist - weil er die eigene Fassade berührt. Der Steuereintreiber antwortet leise: 'Und ich habe gedacht, meine Schuld macht mich weniger wert.' Auch dieser Satz ist schwer - weil er aus der Tiefe kommt. Und so reden sie. Der eine beginnt zu spüren, wie hohl sein Stolz ist, wenn er niemanden mehr erreichen kann. Der andere erkennt, dass seine Demut nicht nur Last, sondern auch eine Tür ist - eine Tür zu echter Begegnung.

In diesem Gespräch geschieht etwas, das im Tempel nicht möglich war: Stolz beugt sich. Scham wird erhoben. Zwei Menschen begegnen sich nicht mehr als 'Besserer' und 'Schlechterer', sondern als Brüder vor Gott.