Die Farbe des Advents
Die Farbe des Advents spiegelt sein Wesen

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VIOLETT ist die Farbe des Advents.
Violett liegt zwischen Blau und Rot,
zwischen dunkel und hell.

Kein Weiß.
Kein Gold.
Aber auch kein Schwarz.

Im Violett spiegelt sich das Wesen des Advents.
Advent ist Dazwischen-Zeit.
Zwischen Anfang und Vollendung.
Zwischen Zeugung und Geburt.
Zwischen Dunkelheit und Licht.
Zwischen Verheißung und Erfüllung.
Zwischen dem, was ist, und dem, was sein wird.
Noch liegt die ganze Schöpfung
in Geburtswehen.

Advent ein Bild:
für Zeit der Sorgen,
der Ängste, der Traurigkeiten,
des Weinens und Seufzens.

Advent ist Zeit des gespannten Wartens
und des verhaltenen Hoffens,
dass Schmerz, Kummer und Leid einmal
für immer aufhören.

Die Botschaft des Advents:
Gott geht mit uns
durch die adventlichen Tage unseres Lebens -
wie eine Mutter mit ihrem Kind.
Sie geht mit durch Tränen, Nacht und Not.
Sie weint mit.
Sie hält aus bei ihrem kranken Kind.
Sie fühlt mit.
Ihres Kindes Schmerz fährt ihr ins Herz.
Sie ist da und bleibt.
Ihre bleidende Nähe gibt heilenden Trost.

Die Farbe des Advents spiegelt sein Wesen oder: Die erste Sprache des Advents ist das Seufzen

Die Menschwerdung Christi bringt stets gute Nachrichten, doch sie verharmlost niemals die Realität unseres Schmerzes. Der Advent verkündet die Hoffnung auf ein kommendes Licht, aber zuerst verkündet er die Wahrheit, dass die Welt gerade jetzt so finster ist.

Der Advent hat eine Farbe. Nicht die grelle Farbe des Marktes, nicht das blinkende Licht der Schaufenster, nicht das Gold der Verpackungen. Die Farbe des Advents ist Violett.

Violett ist eine merkwürdige Farbe. Sie ist weder hell noch dunkel. Sie liegt zwischen Blau und Rot - zwischen Kälte und Wärme, zwischen Nacht und Morgen. Darin spiegelt sich das Wesen des Advents. Violett verschweigt die Dunkelheit nicht. Es übermalt sie nicht. Es nimmt sie ernst. Darum passt Advent gut zu Menschen, die trauern, weinen, seufzen, sich innerlich leer fühlen, keine Kraft mehr haben, dem Verzweifeln nahe sind.

Es gibt Geschichten, die lassen uns verstummen, weil sie uns an einen Punkt führen, an dem fromme Worte nicht mehr tragen. Die Erfahrung, welche die Autorin Stephanie Duncan Smith in ihrem Buch 'Even after everything' beschreibt, ist eine solche Geschichte.
Mitten in der Adventszeit hat sie eine Fehlgeburt erlitten. Sie erzählt, dass sie zum ersten Mal nicht zum Weihnachtsgottesdienst ging. Nicht aus Gleichgültigkeit. Sondern weil sie die Freude nicht ertragen konnte. 'Ich konnte nicht ernsthaft an dieser Erinnerung an die ultimative Schwangerschaftsgeschichte teilnehmen, an diese Geburtsgeschichte, die alle anderen Geburtsgeschichten in den Schatten stellt, in der Gott als Mensch seinen ersten Atemzug machte - meine Tochter aber nicht. Cole Arthur Riley schreibt (in seinem Buch 'This Here Flesh: Spirituality, Liberation, and the Stories That Make Us''): "Es gibt keine größere Erschöpfung als eine Farce der Spiritualität." Ich hatte einfach keine Energie mehr, diese Farce aufrechtzuerhalten.'

Duncan Smith beschreibt, wie der Advent die Dunkelheit in unserem Leben und in der Welt würdigt: 'Wenn man leidet, ist das Einzige, was schlimmer ist als der Schmerz selbst, die tiefe Verletzung, die entsteht, wenn einem gesagt wird, der Schmerz sei gar nicht so schlimm, dass er irgendwie unbegründet sei. Es gibt kein größeres Trauma als diese Abwertung, gerade wenn man sich am meisten nach empathischer Anteilnahme sehnt. So fühlte sich Advent für mich an. Aber es war nicht der Advent an sich, gegen den ich mich auflehnte. Es war die Süßlichkeit, die Beschönigung, die halbe Wahrheit mit dem vollen Glanz, die dieses komplexe Kommen Gottes auf eine eindimensionale Freude reduzierte, die alle anderen Erfahrungen ausschließt.
Die Menschwerdung Gottes bringt stets eine frohe Botschaft, doch sie verharmlost niemals unseren Schmerz. Der Advent verkündet die Hoffnung auf ein Licht, doch zuvor bezeugt er die tiefe Dunkelheit der Welt. Inmitten all der Festlichkeiten dieser Zeit werden die Fäden von Advent und Weihnachten oft verwechselt. Die Weihnachtsfeier verliert an Bedeutung, wenn sie das große Warten, das tiefe Seufzen des Advents ausklammert. Doch genau hier beginnt die Geschichte. Die erste Sprache dieser erwartungsvollen Jahreszeit sind nicht Glockengesänge, sondern Stöhnen - der hörbare Schmerz einer leidenden Welt.
Der Gott des Advents ist kein Gott der Gleichgültigkeit, sondern der Gott, der die Spiegelneuronen ins Leben rief - jenes Zellnetzwerk, das für so vieles verantwortlich ist, was uns menschlich macht: die grundlegende Fähigkeit, die emotionalen Bedürfnisse anderer zu erkennen und darauf einzugehen. Jede menschliche Begegnung mit Empathie beginnt damit, dass Spiegelneuronen beim Erleben von Schmerz aktiv werden. Es ist daher passend, dass das heilige Jahr mit dem Advent beginnt. Menschlicher Schmerz ist der Ruf - jede Nervenendigung schreit auf.
Die Menschwerdung Gottes ist die Antwort. Gott hört den Aufprall und die Schreie unseres tiefen Falls und eilt herbei, wie eine Mutter. Immanuel eilt durch Zeit und Raum, um nicht nur unserem Schmerz nahe zu sein, sondern ihn mit uns zu teilen. Was mir entgangen war, war das Wesen des Advents: Diese ganze Zeit ist dem Hören des Schmerzes und dem Benennen der Nacht gewidmet. Wir dürfen das nicht nur, wir sind ausdrücklich dazu aufgerufen.'