Verwendung Gottes ist Missbrauch Gottes

Matthäusevangelium 22, 41–46

Es gab im alten Israel die allgemeine religiöse Überzeugung, dass der lang erhoffte Messias ein Nachkomme von König David sein werde. Wenn er kommt, werde er das Land aus der Fremdherrschaft Roms befreien und ein Großreich der Gerechtigkeit und des Friedens im Sinne irdischer Macht errichten, wie es zurzeit König Davids bestanden hat.

Jesus folgte diesem Glauben nicht. Gegenüber denen, die ihm längst schon nach dem Leben trachteten, zog er die ersten paar Zeilen des Psalms 110 (= ein Psalmenlied Davids) heran. Da heißt es: "Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich mir zur Rechten, bis ich dir deine Feinde unter die Füße lege."

Welcher Herr spricht hier mit welchem Herrn? König David redet zu seinem Herrn, nämlich zu Gott oder zum Messias Gottes. "Setze dich mir zur Rechten, bis ich dir deine Feinde unter die Füße lege", fordert David Gott auf. Offensichtlich wollte er Gott vor seine politischen Machtinteressen und Kriegsziele spannen. Es liegt auf der Hand, dass er dachte, Gott würde die Feinde Israels als seine eigenen Feinde betrachten. Im Namen Gottes sollten die Soldaten Davids mit von Gott gesegneten Waffen in den Krieg ziehen. David wollte Gott für seine Zwecke verwenden.

Der Gott Davids ist nicht der Gott Jesu. Jesus verkündete das Gottesreich als unbedingte Liebe, unbegrenzte Menschlichkeit, unerschöpfliche Güte, unendliche Barmherzigkeit, bedingungslose Vergebung und ewigen Frieden. Mit Macht und Herrschaft im weltlichen Sinn hat Jesus nicht im geringsten zu tun. Nicht der geistige Sohn Davids, sondern der Sohn Gottes ist der Messias Jesus. Er ist mit dem mütterlich und väterlich liebenden Abba in allem eins.

Für Jesus ist jede Verwendung Gottes für eigene Absichten, Ansprüche, Wünsche, Pläne und Bestrebungen ein Versuch Gott zu missbrauchen. Keine Macht ist für ihn göttliche Macht. Unzählige Male haben politische Herrschaften und Religionen in den Jahrtausenden ihre Macht auf Gott begründet. "Gott will es so", haben sie behauptet, und oftmals behaupten sie das bis heute.