Im Garten Getsemani - "Ich habe Angst"

Markusevangelium 14, 26–42

Eindrucksvoll erzählt ein Bibelhörspiel die Szene im Garten Getsemani, als Jesus von großer Angst erschüttert wird vor dem, was ihm unmittelbar bevorsteht, und in ihm starke Zweifel aufkommen, ob er seinen Weg der Gottesverkündigung bis zu Ende gehen möchte.

Jesus befindet sich mit seinem engsten Jüngerkreis im Garten Getsemani. Ein Stück entfernt von seinen Jüngern sitzt er auf einem Stein und hat seinen Kopf auf die Hände gestützt.

"Wieso hat Judas das getan? Ich verstehe es nicht. Es will mir nicht eingehen. So lange waren wir zusammen seit jenem Tag in Nazareth, an dem wir uns kennengelernt haben. Monate haben wir damit verbracht uns gemeinsam zu bemühen, das Reich Gottes voranzubringen. Und jetzt das. Was ist bloß mit dir geschehen, Judas? Habe ich dir irgendetwas getan? Haben wir dich enttäuscht? Wir alle haben dir vertraut. Wieso hast du uns nicht vertraut? Warum hast du uns im Stich gelassen? Und ich habe dich so einfach davongehen lassen aus dem Haus des Markus. Warum habe ich mich nicht dir in den Weg gestellt? Warum habe ich dich nicht gehindert, uns zu verraten? Warum nicht?"

Während die anderen Jünger schlafen, halten Jakobus, Petrus und Johannes Wache. Sie haben sich an den Stamm eines alten Olivenbaums gelehnt. Jesus kommt auf sie zu. In seinen Augen steht Angst. "Habt ihr das auch gehört?" "Was denn? Was sollen wir denn gehört haben, Jesus?" "Es hat sich angehört wie Schritte." "Verlass dich drauf, hier in diesem Garten sind wir sicher. Sicherer als unter den Fittichen der Erzengel. Ist dir schlecht, Jesus, du siehst so blass aus. Komm, leg dich ein wenig hin. Wir passen schon auf." "Ich habe Angst, Johannes. Es ist, als ob eine Hand nach meinem Hals greift und mir die Kehle zuschnürt." "Komm, Jesus, setz dich her und unterhalte dich ein wenig mit uns. Wenn man redet, dann vergeht die Angst." Jesus setzt sich neben sie nieder. Traurig blickt er sie an, ganz so, als wollte er sie um Hilfe bitten. "Wisst ihr noch, wie wir damals in Cäsarea waren. Es war eine Nacht wie heute. Das, was ich gesagt habe, ist vielen zu hart vorgekommen. Ich habe Angst gehabt. Ich hatte das Gefühl, dass mir alles zu schwer wird. Ihr habt mir wieder Mut gemacht. Ihr habt gesagt, dass ihr mich nicht alleinlassen werdet. Ihr habt mich wieder aufgerichtet. Und heute Nacht brauche ich wieder jemanden, der mir sagt, dass das alles nicht umsonst ist, dass es sich lohnt weiterzumachen." "Damals in der Nacht, Jesus, da hast du zu uns gesagt, dass du, da hast du zu uns gesagt, dass ....." Jetzt schlafen auch Jakobus, Petrus und Johannes ein.

Jesus steht auf, geht etwa einen Steinwurf weit weg und setzt sich auf einen Felsbrocken.

"Das war eine Unglückstunde, dass ich mich damals auf alles eingelassen habe. Wäre ich doch in Nazareth geblieben! Warum habe ich mein Leben nicht auf meine Weise gelebt?! Ein Haus, Kinder, eine Frau - so wie alle andern, die tägliche Arbeit und das bisschen Zufriedenheit. Meine Mutter hätte sich keine Sorgen um mich zu machen brauchen und hätte sich mit den Enkelkindern abgeben können. Ja, das war wirklich eine Unglückstunde, als ich damals zum Jordan gegangen bin und den Propheten Johannes kennengelernt habe und mich von ihm habe taufen lassen. Nein, es war nicht Johannes. Du bist es gewesen, Herr. Du stehst ja hinter allem. Du hast mich gedrängt, du hast mich gepackt und du warst stärker als ich. Du hast mich betört, und ich habe mich betören lassen. Du hast mir Worte in den Mund gelegt, die wie glühende Kohlen gebrannt haben. Ich habe sie auslöschen wollen, aber ich habe es nicht fertiggebracht. Sie haben in mir ein Feuer angezündet und mich bis auf die Knochen verbrannt. Das war eine Unglückstunde damals. Ich habe die Hand an den Pflug gelegt. Und jetzt ist es zu spät sich noch einmal umzudrehen. Nein, es ist noch Zeit! Ich muss fliehen. Ich muss von hier weg. Petrus und die anderen gehen morgen nach Galiläa. Das Beste wird sein, wenn ich mit ihnen mitgehe. Wozu soll ich hierbleiben? Ich werde in den Norden zurückkehren und mich im Dorf verstecken oder in den Bergen oder, wenn es sein muss, unter den Steinen. Sie sollen mich vergessen. Und ich werde auch alles vergessen, was war. Ja, das werde ich tun!"

Es ist nicht kalt, aber Jesus beginnt zu zittern. Er steht von dem Stein auf und kommt wieder zu seinen Jüngern. "Petrus, Johannes ....." Sie schlafen tief und fest.

Jesus entfernt sich wieder.

"Vater, wenn wirklich meine Stunde gekommen ist, dann gib mir Kraft. Du wirst schon wissen, was gut für mich ist. Gib mir Mut, auf ihre Gewalt nicht mit Gewalt zu antworten. Wenn sie mich foltern, dann hilf mir zu schweigen und meine Kameraden nicht zu verraten. Sie wollen mich töten, Vater, aber ich will noch nicht sterben, noch nicht, noch nicht. Ich will nicht sterben, ich will nicht, ich will nicht. Gib mir Zeit, Herr, ich brauche Zeit, um die angefangene Arbeit fertig zu machen. Den Armen muss deine Frohe Botschaft verkündet werden. Meine Freunde und ich haben eben erst damit angefangen zu den Leuten zu reden. Nein, ich darf jetzt nicht fehlen. Ich darf nicht. Vater, sie wollen mir den Mund stopfen, sie wollen mich zum Schweigen bringen, uns, die wir Gerechtigkeit fordern. Es soll doch nicht geschehen, was die wollen, sondern was du willst. Nicht sie sollen gewinnen, die Mächtigen, die Blutgierigen, sondern du, der Gott der Armen. Unternimm doch endlich etwas, Vater. Setz dich ein für uns, die wir gedemütigt sind und ewig zu kurz kommen. Und wenn nicht, dann streiche mich aus deinem Buch. Ja, ich weiß, dass das Getreidekorn, das nicht auf den Boden fällt und stirbt, keine Frucht bringt. Ich selbst habe das gesagt. Und der Geist begreift es. Aber dann, wenn die Stunde kommt, zittert das schwache Fleisch. Ich habe Angst, Vater, ich habe Angst. Wenn du mir wenigstens ein Zeichen geben würdest, ja, gib mir ein Zeichen, einen Beweis, dass du mich nicht getäuscht hast, dass dieser Einsatz nicht vergebens gewesen ist. Dem Gideon hast du ein Zeichen gegeben, bevor er in die Schlacht gezogen ist. Dem Jeremia hast du einen Mandelzweig gezeigt. Schau diesen Zweig hier an, Herr, hier an diesem Baum, wenn er jetzt blühen würde, wenn jetzt an ihm plötzlich eine weiße Blüte aufbrechen würde als Zeichen des Friedens. Antworte mir! Warum schweigst du? Ist das zu viel verlangt? Du hast noch mehr von mir gefordert. Du hast verlangt, dass ich meine Heimat verlasse, von zu Hause fortgehe. Deinetwegen habe ich geredet. Deinetwegen bin ich allein geblieben. Ich habe alles aufgegeben, um das zu tun, was du willst."

Jetzt weint Jesus.

Die Verfasser der Evangelien haben Jesus von Nazareth nicht als einen über alles erhabenen, unempfindlichen, unerschrockenen und unerschütterlichen Helden, sondern als Menschen dargestellt, dem nichts Menschliches fremd ist. Als Menschen mit Gefühlen, als Menschen, der Gefühle äußert, der Angst kennt - auch die Todesangst, als Menschen, der von Selbstzweifeln geplagt ist, der menschliche Nähe und Trost sucht, als Menschen, der am Leben hängt, der mit Gott hadert, der auch weinen kann.

Einem Menschen kann ich nachfolgen, einem die Grenzen der menschlichen Natur übersteigenden Menschen nicht.

Die Nacht am Ölberg
Sieger Köder, Die Nacht am Ölberg
 

DIE NACHT AM ÖLBERG

Jesus fragte oft seine Jünger:
Wovor habt ihr eigentlich Angst?
Warum habt ihr solche Angst?
Habt ihr denn keinen Glauben?
Und plötzlich lesen wir:
Auch Jesus begann zu erschrecken, bekam Angst.
Am Ölberg überwältigt ihn die Angst,
Todesangst. Er zittert um sein Leben.
Es heißt: Er warf sich auf die Erde.
So zeigt ihn der Maler: am Boden.
Ringend mit sich schaut er auf zu Gott,
bittet seinen Vater inständig:
Nimm diesen Kelch von mir weg!
Verschone mich! Erbarme dich meiner!
Niemand muss christlicher sein als er.
Jesus - ganz Mensch wie wir alle!
Er bittet sogar drei Freunde mehrmals
um ihre Nähe: Bleibt hier und wacht!
Aber Petrus, Jakobus und Johannes -
im Bildhintergrund angedeutet -
verschlafen die Chance, einem Menschen
in größter Not beistehen zu dürfen.

Lukas berichtet überraschend:
Da erschien ein Engel vom Himmel
und gab ihm Kraft.
Der Engel könnte ein mitfühlender
Mensch gewesen sein, der vorüberkam
und Jesus spontan Hilfe anbot.
Das Licht, das auf Jesus fällt,
und der Mond, 'die Sonne der Liebenden',
könnten dafür ein Zeichen sein.
Jesus findet am Ölberg die Kraft, zu
beten, wie er es im Vaterunser lehrte:
Dein Wille geschehe!
Hier: Nicht was ich will, sondern was du willst.
Es ist sicher das schwerste Gebet, sich
vorbehaltlos Gott preiszugeben. Aber
Gott lässt uns Zeit für diesen Prozess.
Bis dahin nimmt er mit Gewissheit auch
unser Schweigen und unsere Tränen an.
Wenn wir nur fest verwurzelt sind
in Gott wie die Bäume im Ölberggrund.
Dann gilt, was Jesus versprochen hat:
Niemand entreißt sie meiner Hand.

Jesus, auch du musstest lernen,
mit Angst und Todesangst umzugehen.
Im Gebet suchst du Klarheit und Halt.
Du wehrst dich gegen das schwere Leid
und bittest Gott um Verschonung.
Du legst aber auch alles in seine Hand:
Abba, mein Vater, dein Wille geschehe!
Jesus ich weiß: So beten ist schwer.
Hilf mir, dass ich eines Tages auch
so aufrichtig beten kann wie du.
Jetzt aber, Bruder und Freund,
nimm mich samt meinen Ängsten mit
und trag mich hin zum Herzen Gottes.
Wo sonst sollte ich Erbarmen finden,
innere Ruhe und Frieden.

Text: Theo Schmidkonz SJ
Bild: Sieger Köder, Die Nacht am Ölberg. Schlossbergklinik Oberstaufen