Warmherzigkeit statt Opfer

Johannesevangelium 2, 13–25

Was lernen wir aus diesem Evangelium?

Die jüdische Religion war eine Opferreligion. Täglich wurden im Tempel von Jerusalem Tiere geschlachtet und ihr Blut von den Tempelpriestern auf dem Altar Gott als Opfer dargebracht. Sinn und Zweck der Opfer war, Gottes Zorn zu besänftigen und Unheil abzuwenden, Gott gnädig zu stimmen und Vergebung der Sünden zu erlangen, Gott zu danken und ihm Hingabe zu erweisen.

Die jüdische Religion war nicht die einzige Opferreligion. In vielen anderen Religionen wurden Göttern oder Gottheiten ebenso Opfer dargebracht, sogar Menschenopfer. So forderte zum Beispiel die Religion der Azteken, wie auch die Religion anderer mittelamerikanischer Kulturen, Menschenopfer, um den Lauf der Sonne und den Fortbestand der Welt zu sichern.

Hinter den Opferkulten steht massive Angst vor Gott. In seiner Angst vor Gott unternimmt der Mensch alles Mögliche, um von Gottes Zorn und Strafe verschont zu werden und seine Gnade und sein Erbarmen zu erlangen.

Jesus hat das jüdische Gottesbild korrigiert. Das hat er auch mit der Tempelreinigung zum Ausdruck gebracht. Er hat das alte Gottesbild gereinigt und ein anderes Gottesbild vermittelt. Er hat das Wort des alttestamentlichen Propheten Hosea aufgegriffen: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer.” Das Wort Barmherzigkeit lässt sich verständlicher ausdrücken mit den Begriffen Warmherzigkeit und Menschlichkeit.

Gott braucht keine Opfer, er will keine Opfer, schon gar keine blutigen. Denn er ist kein blutrünstiger Gott. Immer wieder hat Jesus den Menschen gesagt: Fürchtet euch nicht, habt keine Angst! Niemand muss sich vor Gott fürchten. Im Gegenteil: Ihr könnt euch in euren Ängsten bei Gott bergen und schützen.

Gott will keine Opfer, sondern das warme Herz des Menschen. Er will, dass der Mensch in einer menschenwürdigen, warmherzigen Welt glücklich sein kann.

Jesus hat das Gottesbild vom Handels- und Tauschpartner des Menschen richtiggestellt. Gott ist nicht käuflich und bestechlich. Kaufen lassen sich nur Menschen. Und Korruption gibt es nur unter Menschen. Menschen erbringen Leistungen und erwarten sich dafür Gegenleistungen. Sie geben Geschenke und rechnen mit Gegengeschenken. Diese Denkmuster übertragen Menschen auf Gott. Sie geben Gott ihre Opfer, ihre Gebete, ihre religiösen Handlungen, ihr anständiges Leben und erhoffen dafür von Gott Glück, Gesundheit und Wohlergehen, Segen und Heil und die Erfüllung ihrer Wünsche.

Menschen glauben, Gott mit ihren „Leistungen” umstimmen zu können. Der Versuch, Gott umstimmen zu wollen, ist Anmaßung. Damit stellen sich Menschen über Gott und bilden sich ein, besser als er zu wissen, was gut und recht ist. Menschen wollen Gott unter ihre Kontrolle bringen und ihn in den Griff bekommen.

Gott aber lässt sich von Menschen weder beherrschen noch umstimmen. Niemals! Denn er tut und gibt im rechten Augenblick das Richtige und Allerbeste. Gott bevorzugt und benachteiligt keinen Menschen. Er gibt jedem Menschen alles, was er zum Leben braucht.

Jesus hat das Bild von Gott, dem Oper dargebracht werden müssen, zurechtgerückt. Trotzdem ist das alte Gottesbild später von Christen wieder aufgenommen worden und bis heute erhalten geblieben. Noch heute bezeichnen Menschen die Eucharistiefeier als Messopfer. Noch heute halten Menschen den Priester für den, der stellvertretend Gott Opfer darbringt. Noch heute glauben Menschen, Gott etwas „aufopfern” zu müssen. So fallen Christen zurück in die Zeit vor Jesus.