Der Tod ist nichts

In der Literatur und der darstellenden Kunst der Antike und des Mittelalters findet sich oft die Vorstellung vom Tod als Person.

Ein paar Beispiele seien dafür erwähnt.

Die Sagen des klassischen Altertums und die römischen Götter- und Heldensagen erzählen vom Totengott Hades, den Herrscher über das Reich der Unterwelt, das ebenfalls Hades genannt wird. Er ist der Ort der Toten.

Das Werk „Der Ackermann aus Böhmen” von Johannes von Tepl, das um 1400 entstanden ist, beinhaltet ein Streitgespräch zwischen einem Ackermann und dem Tod. Er verklagt den Tod, weil er ihm seine Frau genommen hat.

Im Märchen „Der Gevatter Tod” von den Gebrüdern Grimm wählt ein verzweifelter armer Mann für sein dreizehntes Kind als Paten den Tod, weil der alle gleich macht. Gevatter ist ein altes Wort für Pate.

Im Theaterstück „Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes” von Hugo von Hofmannsthal beauftragt Gott den Tod, in Jedermanns Haus zu gehen und ihn vor das göttliche Gericht zu rufen.

Auch in der Kunst früherer Jahrhunderte wird der Tod häufig personifiziert dargestellt als Sensenmann oder Schnitter oder als Skelett oder als Todesengel. Sie kommen und nehmen den Lebewesen das Leben, wenn sie sterben.

Auch der Bibel ist die Darstellung des Todes als Person nicht fremd. Im Buch des alttestamentlichen Propheten Jeremia heißt es: „Der Tod ist durch unsre Fenster gestiegen, eingedrungen in unsere Paläste. Er rafft das Kind von der Straße weg, von den Plätzen die jungen Männer. Die Leichen der Leute liegen wie Dünger auf dem Feld, wie Garben hinter dem Schnitter; keiner ist da, der sie sammelt.” (Jer 9, 20)

Im letzten Buch des Neuen Testamentes, der Offenbarung des Johannes, tritt der Tod als Reiter auf: „Da sah ich ein fahles Pferd; und der, der auf ihm saß, heißt «der Tod»; und die Unterwelt zog hinter ihm her. Und ihnen wurde die Macht gegeben über ein Viertel der Erde, Macht, zu töten durch Schwert, Hunger und Tod und durch die Tiere der Erde.” (Offb 6, 8)

In verschiedenen biblischen Stellen und in vielen christlichen Schriften und Texten, Gebeten und Liedern ist vom Tod als Macht und von den Todesmächten die Rede, die Christus in seiner Auferstehung ein für alle Mal gebrochen und besiegt hat.

In der Bibel hat das Wort „Tod” in vielen Fällen allerdings übertragene Bedeutung. Es meint Leben, dem Wichtiges und Lebensnotwendiges fehlt, sodass es nicht mehr „Leben” bezeichnet werden kann.

Wir sind überzeugt: Niemand braucht den Tod zu besiegen, weil DER TOD NICHTS IST. Er ist keine Größe, keine Mächtigkeit und keine Wirklichkeit. Hinter dem Tod steht keine Macht. Er ist weder eine Person noch eine Institution noch unser Gegner noch unser Feind noch unser Freund noch der Bruder des Schlafes. ER IST GAR NICHTS. Wir brauchen uns vor dem Tod nicht zu fürchten, weil es ihn gar nicht gibt. Wenn wir sterben, kommt nicht der Tod, um uns das Leben zu nehmen, uns zu holen und dahinzuraffen.

Es gibt im Leben eine Gesetzmäßigkeit: Leben ist ständig – in jedem Augenblick vom Ursprung bis zum Ziel – der Verwandlung ausgesetzt. Wenn wir sterben, wird unser Leben verwandelt und neugestaltet. Wir sind immer in Gott wie in einem Haus, ob wir leben oder sterben. Und Gott ist immer in uns, ob wir leben oder sterben. Wenn wir vom Sterben schon als von einer Abholung sprechen, dann ist es Jesus Christus, der uns heimholt und heimträgt in das Reich des ewigen Vaters.

In der Präfation der Begräbnismesse kommt dies in wunderbaren Worten zum Ausdruck: „In Jesus Christus erstrahlt unsere Hoffnung, dass wir zur Seligkeit auferstehen. Bedrückt uns auch das Los des sicheren Todes, so tröstet uns doch die Verheißung der künftigen Unsterblichkeit. Denn deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen. Und wenn die Herberge der irdischen Pilgerschaft zerfällt, ist uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet.”

Der Tod ist keine Wirklichkeit und keine Macht. Die einzig wirklichen Mächte sind das Leben und die Liebe. Weil sie aus Gott sind, ja weil sie Gott sind, sind sie unzerstörbar und unvergänglich.