Texterläuterung zu Matthäus 6, 19–21.24
Text: Matthäusevangelium 6, 19–21.24 - Übersetzung dem griechischen Urtext nahe
19 Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, wo Motte und Fraß (sie) vernichtet und wo Diebe durchgraben und stehlen! 20 Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Fraß (sie) vernichtet und wo Diebe nicht einbrechen und nicht stehlen! 21 Denn wo dein Schatz ist, dort wird auch dein Herz sein. 24 Niemand kann zwei Herren dienen; entweder nämlich wird er den einen hassen, und den anderen wird er lieben, oder an einen wird er sich anhängen, und den anderen wird er verachten; ihr könnt nicht Gott und Mammon dienen.
Texterläuterung
Zur Zeit Jesu lebte die Mehrheit der Bevölkerung im Land Israel in einfachen Verhältnissen. Galiläa - wo ein Großteil von Jesu Wirken stattfand - war agrarisch geprägt: Kleinbauern, Fischer, Handwerker, Tagelöhner. Große Vermögen waren selten, aber armer Besitz (Getreide, Öl, Kleidung, Münzen) konnte rasch verloren gehen: Motten zerstörten die wertvollen Gewänder (Kleidung galt als wertvolle Anlageform), Rost / Korrosion beschädigte Metallvorräte, Diebe gruben durch die ungebrannten Lehmwände der Häuser. Die Menschen lebten mit ständiger Unsicherheit. Vor diesem Hintergrund gewinnt Jesu Warnung vor vergänglichen Schätzen eine hohe Existenznähe.
Jüdische Frömmigkeit betonte bereits im Alten Testament die Vergänglichkeit materiellen Besitzes und die Vorrangstellung Gottes. Gleichzeitig galt Besitz nicht automatisch als schlecht; entscheidend war die Gerechtigkeit und die Hinwendung zu Gott. Jesu Lehre steht im Kontinuum dieser Tradition, aber sie verschärft die radikale Ausrichtung auf das Reich Gottes.
Mt 6, 19-21.24 gehört zur Bergpredigt (Mt 5-7), im Mittelteil der ethischen Weisungen Jesu. Der Abschnitt 6,19-24 steht im Zusammenhang der drei großen Themen: Frömmigkeit vor Gott - nicht vor Menschen (Almosen, Gebet, Fasten, Mt 6,1-18), Umgang mit Besitz und Sorgen (Mt 6,19-34), Beziehung zu Gott und den Mitmenschen (Mt 7). Die Verse 19-24 sind die theologische Grundlegung der späteren Mahnung zur Sorgefreiheit (6,25-34). Bevor Jesus sagen kann: 'Sorgt euch nicht!', muss er erklären, wem der Mensch eigentlich gehört - Gott oder dem Mammon.
'Schätze'; Das griechische Wort bezeichnet nicht nur Reichtum, sondern 'Vorrat', 'Hort'. Ein 'Schatz' ist das, worauf man seine Hoffnung setzt. Jesus meint sowohl: materiellen Besitz als auch immaterielle Wertsetzungen (Prestige, Ehre, Erfolg).
Motten standen damals für alles, was Kleidung zerstört. Kleider waren eine übliche Form der Geldanlage. Rost bedeutet wörtlich 'Fraß'. Gemeint ist alles, was Metallvorräte oder Lebensmittel zerfrisst - Korrosion, Schimmel, Würmer. Es ist ein Bild für Vergänglichkeit.
'Diebe brechen ein': Wörtlich: 'Durchbohren'. Häuser waren aus Lehmziegeln - Diebe konnten sich tatsächlich 'hindurchgraben'.
'Schätze im Himmel': Ein jüdisches Bild für Güter, die Gott anerkennt: Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Vertrauen, Liebe. Nicht menschliche Leistung, sondern eine Herzbewegung, die sich in Taten zeigt.
'Niemand kann zwei Herren dienen': Das Bild stammt aus der Sklavenwelt: ein Sklave konnte nicht zwei Besitzern gleichzeitig gehören. 'Dienen' meint totale Zugehörigkeit. Jesus betont: 'Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.'
'Mammon': Aramäisches Wort (mamona), bedeutet 'Vermögen', 'Besitz', 'das, worauf man vertraut'. Es ist hier personifiziert: Mammon wird zu einem konkurrierenden Gott. Die Personifikation des Mammon ist eine bewusste Anspielung auf Götzendienst in der prophetischen Tradition.