Mein spiritueller Weg in meiner Kindheit

Kleine Rebellin

Meine Kindheit war für mich oft nicht einfach. Immer spürte ich, dass ich irgendwie anders bin als die durchschnittliche Masse der Menschen. Ich fühlte eine starke Kraft von Abwehr und Auflehnung in mir. Sehr häufig und sehr heftig habe ich rebelliert, wenn ich etwas tun sollte, was für mich keinen Sinn ergab, und was ich nicht verstehen konnte. Ich habe mich auch gegen Grenzen gewehrt, die mir gesetzt wurden, und gegen alles, zu dem ich gezwungen wurde. In meiner Familie und meinem Umfeld kam mir oft Unverständnis entgegen. Ich wurde manchmal als aufmüpfig und bösartig bezeichnet.

Auch in der Schule hatte ich Probleme, weil ich viele Sachen, welche die Lehrer von mir verlangten, nicht machen wollte, dann wenn ich keinen Sinn darin sah. Mit meinen Mitschülern hatte ich immer wieder Konflikte, weil ich ihr Verhalten nicht verstehen und akzeptieren konnte, und weil sie mein Verhalten auch nicht verstehen konnten. Ich wurde zur Außenseiterin, zog mich entweder zurück oder reagierte mit Aggression gegen die Ablehnung. Oft nahm ich eine Beklemmung in mir wahr, war unglücklich, frustriert, aggressiv.

Umgekehrt suchte ich Nähe von Lehrern und Personen, die mich annahmen, wie ich war. Bei solchen Menschen wurde ich sehr anhänglich.

Damals wusste ich noch nicht genau, wogegen ich mich wehrte. Viel habe ich darunter gelitten, dass ich mich selber und mein Verhalten nicht verstehen und mir nicht erklären konnte. Oft habe ich mich gefragt: "Warum verhalte ich mich so? Warum kann ich nicht liebevoll und sanft sein, obwohl ich nichts mehr will als in der Liebe zu sein?" Viel habe ich darunter gelitten.

In meiner Kindheit schon wurde mir klar, dass das Leben der Menschen, so wie es organisiert ist mit seinen Systemen, Normen und Erwartungen für mich zu eng und unpassend ist.

Große Schwierigkeit hatte ich damals schon mit der Unterteilung in Gut und Schlecht oder Böse, in Positiv und Negativ, die in unserer Welt so bestimmend ist, und auf die wir täglich stoßen. Das Leben zwischen den beiden Polen von Gut und Schlecht bzw. Gut und Böse machte mir Angst. Deshalb zog ich mich in meine innere kindliche Welt zurück. Dort fühlte ich mich sicher und geborgen, beschützt und behütet.

Also versuchte ich mich über die Jahre krampfhaft der Lebensweise meines Umfeldes und unserer Gesellschaft anzupassen um nicht aufzufallen, was mir aber nie wirklich gelungen ist.

Unvergessliches Kindheitserlebnis

Es geschah einmal in der Abenddämmerung. Ich hielt mich mit meiner Mutter draußen vor unserem Haus auf. Vier oder fünf Jahre war ich alt. Ich schaute zum Himmel. Da war plötzlich die Frage in mir: "Wo wäre ich, wenn ich nicht hier auf Erden wäre? Wo komme ich her?" Damals konnte ich dieses Erlebnis natürlich noch nicht einordnen und wusste nichts damit anzufangen. Ich habe niemandem davon erzählt, sondern habe es in meinem Herzen bewahrt.

Oft hatte ich das Gefühl, als würde mein Körper nicht zu mir gehören, als würde ich nicht in meinem Körper sein. Ich hatte kaum ein Körper-Gefühl und nahm meinen Körper oft nicht als meinen Körper wahr. Dann gab es Momente, wo mir plötzlich wieder bewusst wurde: "Ich bin in meinem Körper! Ich spüre meinen Körper!" Das war für mich ein eigenartiges Gefühl, und ich kann es auch heute schwer in Worte fassen; denn diese Erfahrung liegt außerhalb meines Verstandes. Ich berührte meinen Körper in diesen Momenten, um ihn besser wahrzunehmen und um begreifen zu können, dass ich überhaupt in einem leiblichen Körper bin. Dieses Gefühl, in einem Körper zu sein, war für mich oft sehr schwer auszuhalten. Die Begrenzungen, die in meinem Körper spörbar waren, lösten in mir ein unangenehmes und beengendes Gefühl aus. Rückblickend ist mir klar, dass ich damals unwissend immer wieder aus meinem Körper ausgetreten und zwischen Erde und geistiger Welt hin und her gependelt bin. Ich war überhaupt nicht geerdet, das heißt, ich stand nicht mit beiden Beinen im Leben. Dieses Gefühl hatte ich meist vor dem Einschlafen. Darum hatte ich meist auch Angst vor dem Einschlafen. Ich hatte Angst, nicht mehr aufzuwachen. Damals war ich mir aber noch nicht über den Grund bewusst.

Heute weiß ich, dass diese Erfahrungen meiner frühen Kindheit aus der tiefen Verbundenheit mit Gott entsprungen sind. Durch sie breitete sich in mir ein ganz tiefes Erleben von Geborgenheit und ein tiefes Urvertrauen aus und in manchen Momenten wurde ich von einer unbeschreiblich großen Liebe erfüllt. Diese Liebe ist mit nichts auf dieser Welt zu vergleichen. Besonders intensiv war dieses Gefühl auch oft beim Einschlafen.

Der Zustand des nicht Geerdet Seins hat bis zum jungen Erwachsenenalter angehalten. Durch Lektüre erfuhr ich später den Grund. Ich kam in der 32. Woche durch einen Kaiserschnitt zur Welt. Dadurch konnte ich den Prozess des Eingangs in den Geburtskanal nicht vollziehen. Dieser Prozess ist aber entscheidend, um auf der Erde gut verwurzelt und geerdet zu sein. In meinem 21. Lebensjahr durfte ich diesen existenziell wichtigen Prozess bei einer heilenden Behandlung ganz bewusst vollziehen und nachholen. Dabei sah ich mich als Baby durch den Geburtskanal rutschen. Danach hatte ich extreme Rückenschmerzen und fühlte mich total gerädert wie ein Baby nach der Geburt.

Wunderschöne Gotteserfahrung

Eines Abends beim Einschlafen - ich war zehn Jahr alt - war mir, als würde Gott in meinem Herzen zu mir sprechen. Ich spürte wieder beglückende Liebe, die mein Herz und meinen Körper durchflutete. Auf einmal hatte ich den Gedanken: "Ich kann die unendliche Liebe Gottes nicht für mich behalten, sondern ich muss und möchte diese Liebe mit anderen Menschen teilen und sie weiterschenken." In meinem Herzen vernahm ich den Auftrag Gottes: "Silvia, schenke meine Liebe weiter an alte Menschen!" In diesem Moment erfuhr ich tiefe Bereitschaft, für alte Menschen da zu sein. Diesen Gedanken habe ich im Laufe der nächsten Jahre durch mein Ego wieder aus den Augen verloren.

Zu dieser Zeit habe ich meine Mutter nach einem Knie- und Oberschenkelhalsbruch gepflegt. Das war für mich einerseits eine große Herausforderung, und ich fühlte mich oft überfordert. Andererseits aber entdeckte ich, dass mir Gott die notwendige Kraft dazu gibt und mich über mich hinauswachsen lässt. Heute bin ich sehr dankbar für diese wertvolle Erfahrung, denn sie gab mir Selbstständigkeit, viel Weisheit, Selbsterkenntnis, seelische Reife und ein noch tieferes Gottvertrauen.

Meine Erstkommunion

An meine Erstkommunion erinnere ich mich, als ob sie gestern gewesen wäre.

Es war ein sonniger Mai-Tag und alle Menschen, die für mich zu dieser Zeit wichtig waren, waren dabei. Das allerschö.nste war für mich, dass wir als gesamte Klasse uns darauf geeinigt hatten, statt der üblichen Erstkommunionkleider Kutten zu tragen. Ich war Ministrantin und durfte meine Ministranten-Kutte anziehen. In der Feier fühlte ich mich Jesus sehr nahe. Darüber war ich unbeschreiblich glücklich.

Auch die Vorbereitung auf die Erstkommunion war wunderschön. Ich hatte eine sehr liebevolle Tisch-Mutter, die mich wie ihre eigene Tochter gern hatte.

Außerdem hatte ich die Gnade, in der Volksschule einen liebevollen Religionslehrer zu haben, der uns mit Liebe, Begeisterung und Freude von Jesus erzählte und gut auf uns eingehen konnte. Ich hörte ihm immer gerne zu, wenn er von Jesus erzählte. Und in mir waren die Geschichten und Gleichnisse oft sehr lebendig und real. Manchmal hatte ich das Gefühl, in jener Zeit zu leben. Das kommt auch heute oft vor. Ich fühle mich der Zeit Jesu sehr nahe. Manchmal sehne ich mich danach so mit Jesus zu leben wie damals seine Jüngerinnen und Jünger: In der großen Gemeinschaft mit allen, die Jesus lieben, seine Botschaft und seine Lehre im Herzen tragen und mit ihm in Einheit mit der Liebe Gottes und dem Heiligen Geist leben wollen.