Rufer in der Wüste
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Rufer in der Wüste - eine Geschichte

Es war einmal ein Mann, der lebte allein in einer weiten, trockenen Ebene. Einst war dies ein grüner Wald, in dem Tiere lebten, Bäche flossen und die Luft nach Leben duftete. Nun aber war alles karg - verbrannte Erde, staubiger Wind und ein Himmel, der kaum noch regnete. Man nannte ihn den Rufer in der Wüste, denn er sprach unaufhörlich zu denen, die ihn nicht hören wollten.

'Die Erde weint', sagte er. 'Sie weint, weil ihr sie vergesst.'

Tag für Tag stand er auf einem Felsen, der aus dem Boden ragte wie ein letzter Zahn der alten Welt. Mit rauer Stimme rief er zu den Städten am Horizont, wo die Menschen in glänzenden Türmen lebten, umgeben von Maschinen, Plastik und Bildschirmen.

'Seht euch um! Die Flüsse trocknen aus, die Wälder sterben, die Meere ersticken. Und ihr tut ... nichts.'

Doch niemand kam. Niemand antwortete.

Manche lachten über ihn. 'Ein Narr', sagten sie. 'Ein Nostalgiker. Er übertreibt. Die Welt verändert sich eben. So ist Fortschritt.' Andere sagten nichts mehr, weil sie das Unbehagen nicht aushielten.

Der Rufer sammelte alte Samen und pflanzte sie dort, wo noch ein Hauch von Leben war. Er sprach mit den Vögeln, die noch flogen, mit dem Boden, der noch atmete, und mit dem Wind, der seine Worte davontrug.

Eines Tages kam ein Kind, barfuß. Es war neugierig und trug in der Hand eine kaputte Windturbine aus Plastik.

'Warum schreist du in die Wüste?', fragte es.

Der Rufer lächelte zum ersten Mal seit Jahren. 'Weil die Wüste einst ein Garten war. Und weil es nicht zu spät ist.'

Das Kind setzte sich zu ihm. Gemeinsam pflanzten sie eine Eiche.

Viele Jahre vergingen. Die Städte wurden lauter, die Luft dicker, das Wasser knapper. Doch rund um den Felsen wuchs ein kleiner Wald. Erst kamen Bienen. Dann Vögel. Dann Kinder.

Und irgendwann hörte man nicht mehr nur den Rufer in der Wüste. Man hörte viele Stimmen. Aus der Wüste wurde eine Oase des Erinnerns - und vielleicht, nur vielleicht, der Anfang einer neuen Welt.

Die Stimmen der Warnenden mögen einsam erscheinen. Doch sie sind die Saat für Wandel. Wenn jemand zuhört, hinschaut, handelt. Die Erde kann heilen. Aber sie braucht Menschen, die ihre Stimme wieder hören wollen.