Das Reich Gottes sehen lernen

Matthäusevangelium 20, 29–34

Der Verfasser des Matthäus-Evangeliums lässt unmittelbar an die Worte Jesu über das Herrschen und Dienen die Heilung von zwei Blinden folgen. Welche Bedeutung hat dieser Textzusammenhang für das Verständnis der Blindenheilung?

Wofür waren diese zwei Menschen "blind"? Was konnten sie nach ihrer Heilung durch Jesus sehen?

Waren die beiden Blinden vielleicht die Söhne des Zebedäus? Wir können uns das gut vorstellen. Sie befanden sich noch nicht wirklich auf dem Weg, sondern bisher am Rand der Nachfolge Jesu? Sie gehörten dem engeren Schüler*innenkreis Jesu an, hatten jedoch seine Reich-Gottes-Verkündigung in der Tat noch nicht verstanden. Mit ihrem Machthunger waren sie bis heute Lichtjahre vom Reich Gottes entfernt. So oft schon hatten sie von Jesus gehört, dass Macht und Reichtum trennende Hindernisse sind für das Reich Gottes und darin überhaupt keinen Platz haben. Und sie hatten Jesus erfahren als einen, der ohne Macht und Reichtum lebt.

Vom Hören und Sehen der Worte Jesu aber kann es ein weiter, weiter Weg sein, bis sie in das Herz eines Menschen dringen, Umkehr bewirken, und es zur Umsetzung im eigenen Leben kommt.

Die Worte Jesu haben die Zebedäussöhne offensichtlich wachgerüttelt: "Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Großen ihre Vollmacht gegen sie gebrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Wie der Menschensohn nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben." Das heißt - kurz gesagt: Wahre menschliche Größe besteht in tätiger Menschlichkeit.

Jetzt kamen die beiden zur Einsicht, dass ihre Augen für die Wertmaßstäbe des Reiches Gottes noch blind waren, und dass sie Heilung dringend nötig hatten. Wie Schreien kam es aus ihrem Herzen, als sie sich vertrauensvoll an Jesus wandten: Jesus, hab Barmherzigkeit mit uns, öffne uns die Augen für das, was wirkliche Größe ist vor Gott und den Menschen, und zeige uns, wie Menschen auch ohne Pracht und Macht schön und kostbar sein können, der eine für den anderen.

Ihre Sehnsucht, Jesus und seine Botschaft wirklich zu verstehen, fuhr Jesus ins Herz. Und er lud sie neuerdings ein, mit ihm zu gehen, zu hören und zu sehen und von ihm zu lernen.

Heute spüren wir persönlich das Schreien in unserem Herzen: Jesus, öffne uns die Augen für das, was wirkliche Größe ist vor Gott und den Menschen, und zeige uns, wie Menschen auch ohne Pracht und Macht schön und kostbar sein können, der eine für den anderen.

Danke, Jesus, du machst es möglich, dass wir mit dir, von dir und durch dich lernen können, in Menschlichkeit und Liebe zu wachsen und dir ähnlich zu werden.