Mutter Erde weint

Wir befinden uns zurzeit in einer tiefen weltweiten Krise. Die Corona-Pandemie verändert unser Leben in allen Bereichen und stellt uns alle vor große Herausforderungen im Alltag. Wir alle wünschen uns, dass der Virus bald verschwindet, und wir wieder ein normales Leben führen können.

Doch kaum jemand fragt aufrichtig und ehrlich: Welche Ursache hat die Pandemie und all die weltweiten Katastrophen, die zurzeit unseren Planeten so heftig erschüttern?

Wir leben in einer modernen Wohlstandsgesellschaft, in der es Großteils nur noch darum geht, schneller und besser zu sein als der Andere. Unser Streben, die Maßlosigkeit und die Gier nach noch Mehr führen Mutter Erde an den Rand der Zerstörung. Sie nimmt immer größere Ausmaße an, weil wir immer unachtsamer mit Mutter Erde und ihren Ressourcen umgehen. Infolge der Gier nach immer Mehr werden Wälder gerodet, Tiere gequält und getötet, Müll in Wälder, auf Wiesen und Felder und in Flüsse und Meere entsorgt und riesige Flächen zubetoniert. Die Erde wird zusehends mehr ausgebeutet und kaputt gemacht.

Doch kaum jemand denkt daran, dass wir damit letztlich uns selbst und allen Lebewesen großen Schaden und Schmerz zufügen. Wir sind Teil der Schöpfung, also ein Teil von Mutter Erde. Wir leben in einem sensiblen ökologischen Zusammenspiel mit Mutter Erde und allen Lebewesen. Wir sind von allem, was uns die Erde gibt, existenziell abhängig. Das haben wir bei all unserem Streben völlig aus den Augen verloren.

Der blaue Planet
Der blaue Planet

Unser wunderschöner blauer Planet hat genauso wie wir eine Seele, ist also genauso wie wir ein geliebtes göttliches Geschöpf. Die Erde ist unsere liebe Mutter und liebe Schwester. Sie ist nun an einem Punkt angelangt, an dem sie all das Leid und den Schmerz, der ihr durch uns zugefügt wird, nicht mehr ertragen kann. Mit meinem Herzen spüre ich den Schmerz von Mutter Erde oft sehr intensiv.

Wir haben vergessen, wie sehr Mutter Erde uns liebt, und dass sie uns nährt und trägt. Seit Anbeginn des menschlichen Lebens sorgt die Erde wie eine liebende Mutter für uns. Sie tut es auch weiterhin, weil sie uns liebt. Doch sie hat genug gelitten und ruft ihre Kinder zur Umkehr und Veränderung des Verhaltens auf. Das wird für mich besonders durch die Pandemie sehr deutlich: Mutter Erde sehnt sich nach Heilung.

Es ist höchste Zeit, die notwendigen Veränderungen einzuleiten, damit Heilung geschehen kann, und damit wir gemeinsam mit Mutter Erde das Reich Gottes erleben können. Wir sitzen alle im selben Boot. Die Pandemie betrifft uns alle. Der Virus kennt keine geographischen und gesellschaftlichen Grenzen. Wir alle tragen mit unserem eigenen Verhalten gleichermaßen Verantwortung für unseren Planeten. Jeder Einzelne ist aufgefordert, sein Verhalten zu überdenken und das Leben zu schützen und zu erhalten.

Wir sind als Spezies Mensch auch durch unser kollektives Bewusstsein untrennbar miteinander verbunden und wir können nur gemeinsam mit unserer Erde liebevoll und bedacht umgehen.

Wir sind Brüder und Schwestern. Miteinander dürfen wir lernen, Mutter Erde achtsam und wertschätzend zu behandeln. Dankbar dürfen wir sein für alles, was sie uns schenkt. Dankbarkeit ist der erste Schritt zu innerer Zufriedenheit. Innere Zufriedenheit führt zu innerer Ruhe. Das Streben nach Mehr vergeht und weicht einer unendlichen Daseinsfreude.

Gott liebt seine Schöpfung unendlich. Er hat sie uns anvertraut, weil er an uns glaubt.

Gebet für unsere Erde

Allmächtiger Gott,
der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist
und im kleinsten deiner Geschöpfe,
der du alles, was existiert,
mit deiner Zärtlichkeit umschließt,
gieße uns die Kraft deiner Liebe ein,
damit wir das Leben und die Schönheit hüten.
Überflute uns mit Frieden,
damit wir als Brüder und Schwestern leben
und niemandem schaden.
Gott der Armen,
hilf uns,
die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde,
die so wertvoll sind in deinen Augen,
zu retten.
Heile unser Leben,
damit wir Beschützer der Welt sind
und nicht Räuber,
damit wir Schönheit säen
und nicht Verseuchung und Zerstörung.
Rühre die Herzen derer an,
die nur Gewinn suchen
auf Kosten der Armen und der Erde.
Lehre uns,
den Wert von allen Dingen zu entdecken
und voll Bewunderung zu betrachten;
zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind
mit allen Geschöpfen
auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.
Danke, dass du alle Tage bei uns bist.
Ermutige uns bitte in unserem Kampf
für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden.

Papst Franziskus in seiner Enzyklika "Laudato si. Über die Sorge für das gemeinsame Haus." (2015)