Gottes bedingungsloses JA zum Leben - NEIN zum Leben stammt niemals von Gott

Lukasevangelium 8, 40–56: wortgetreue Übersetzung aus dem griechischen Urtext

Die beiden Erzählungen - von der Frau mit dem seit zwölf Jahren andauernden Blutfluss und von der zwölfjährigen jungen Frau - sind miteinander verwoben. Das hat Bedeutung.

In diesen Geschichten geht es um das Frausein, genauer gesagt um die Hinderung am Frau werden und Frausein und die Angst vor dem Frausein.

In der damaligen patriarchalischen Gesellschaft war der Mann Oberhaupt und Herr seiner Familie. Er konnte über Haus, Hof, Grund, alle Güter und Personen in seinem Haushalt: seine Frau, Kinder, Schwiegerkinder, Enkelkinder, ..., Sklaven verfügen, über sie bestimmen, sie beherrschen. Er durfte sie schlagen. Frauen und Kinder hatten keine Rechtsmittel sich gegen Mann und Vater zu wehren.

Auf einer Israelreise hörte ich einen Vortrag über Palästina - Land und Leute, Sitten und Bräuche. Dabei sagte der Vortragende: 'Der Orientale schlägt seine Frau, er schlägt seine Kinder, er schlägt seine Tiere.'

40 Während aber zurückkehrte Jesus, hieß willkommen ihn die Menge; waren nämlich alle erwartend ihn. 41 Und siehe, kam ein Mann, dem Name Jaïrus, und dieser Vorsteher der Synagoge war, und gefallen zu den Füßen Jesu, bat er ihn, hineinzugehen in sein Haus, 42 weil eine einziggeborene Tochter war ihm von ungefähr zwölf Jahren, und sie lag im Sterben. Während aber hinging er, die Leute bedrängten ihn.

Jaïrus war als Synagogenvorsteher ein bedeutender Funktionär der jüdischen Gesetzesreligion und in der patriarchalischen Gesellschaft Oberhaupt und Herr seiner Familie. Gewiss hat er sich im religiösen Gesetz gut ausgekannt, es selbst konsequent eingehalten und die Einhaltung auch von seinen Untertanen in seiner Familie und darüber hinaus streng eingefordert.

43 Und eine Frau, seiend im Fluss Blutes seit zwölf Jahren, welche, für Ärzte verbraucht habend das ganze Vermögen, nicht hatte können von niemandem geheilt werden, 44 hinzugetreten hinten, berührte den Saum seines Gewandes, und sofort blieb stehen der Fluss ihres Blutes. 45 Und sagte Jesus: Wer der berührt Habende mich? Verneinten aber alle, sagte Petrus: Meister, die Leute umringen dich und bedrängen. 46 Aber Jesus sagte: Berührt hat mich jemand; denn ich habe bemerkt eine Kraft ausgegangen von mir. 47 Gesehen habend aber die Frau, dass nicht sie verborgen blieb, zitternd kam, und niedergefallen vor ihm, wegen welcher Ursache sie berührt hatte ihn, berichtete sie vor dem ganzen Volk, und wie sie geheilt worden war sofort. 48 Er aber sagte zu ihr: Tochter, dein Glaube hat gerettet dich; geh in Frieden!

Wieviel Leben Verneinendes mag dieser Frau auf Grund ihres Geschlechtes - vielleicht schon vom Mutterschoß an - widerfahren sein, das ihre Lebenskraft, ihren Lebensmut, ihre Lebensfreude, ja buchstäblich ihr Leben 'ausbluten' und 'ausrinnen' ließ?!

Es ist anzunehmen, dass sie Leben verneinende Erziehung erfahren/erlitten hat.

Frau sein damals bedeutete fremdbestimmt, untertan, nicht frei sein, im Frausein unterdrückt sein, Frausein nicht leben können.

Dazu kam die Leben verneinende Gesetzesreligion mit ihren Reinheitsvorschriften. Monat für Monat während der Menstruation galt die Frau als unrein. Alle und alles, was mit ihr in dieser Zeit in Berührung kam z.B. ihr Sitzplatz, wurde auf der Stelle unrein. Als Unreine wurde sie gemieden von Menschen und von Gott, so wurde es ihr von Jugend auf gelehrt. Durch Geschlechtsverkehr wurde sie unrein, ebenso als Wöchnerin nach der Geburt eines Jungen sieben und nach der Geburt eines Mädchens vierzehn Tage. Nach einer weiteren Frist von 33 (bei einem männlichen Kind) bzw. 66 (bei einem weiblichen Kind) Tagen, in der sie sich zu Hause aufzuhalten hatte, musste sie vom Priester ein Brand- und ein Sündopfer darbringen lassen, um ihre Reinheit wiederherzustellen.

Wen wunderts, dass manche Frau zu jener Zeit sich als lebend Tote gefühlt hat?!

Die Frau im Evangelium hat Jesus kennengelernt als den, der den Menschen - Frauen und Männern - den Gott des bedingungslosen JA zum Leben verkündet und den Menschen - Frauen und Männern - mit bedingungslosem JA zum Leben begegnet.

Durch Jesus und seinen Abba-Gott wurde sie nicht in einem Einzelakt, sondern in einer längeren Begleitung aufgerichtet zum Leben, zu Lebensmut, zu Lebensfreude und Lebenskraft.

Das NEIN zum Leben in seinen vielfältigen Formen vermindert Leben, macht es krank, lässt es zugrunde gehen.

Das JA zum Leben in seinen zahllosen bunten Farben hebt Leben, lässt es gesund und glücklich sein.

49 Noch er redete, kommt einer von dem Synagogenvorsteher, sagend: Gestorben ist deine Tochter; nicht mehr bemühe den Meister! 50 Aber Jesus, gehört habend, antwortete ihm: Nicht fürchte dich, nur glaube, und sie wird gerettet werden. 51 Gekommen aber in das Haus, nicht ließ er hineingehen jemanden mit ihm, wenn nicht Petrus und Johannes und Jakobus und den Vater des Mädchens und die Mutter. 52 Sie weinten aber alle und betrauerten sie. Er aber sagte: Nicht weint! Denn nicht ist sie gestorben, sondern sie schläft. 53 Und sie verlachten ihn, wissend, dass sie gestorben war. 54 Er aber, ergriffen habend ihre Hand, rief, sagend: Mädchen, steh auf! 55 Und zurück kehrte ihr Geist, und sie stand auf sofort, und er befahl, ihr gegeben werde zu essen. 56 Und gerieten außer sich ihre Eltern; er aber befahl ihnen, niemandem zu sagen das Geschehene.

Jaïrus, der Herr der Familie und der Synagogenvorsteher als religiöser Gesetzeshüter, bevormundete und beherrschte das gesamte Familiensystem. Alle Familienmitglieder mussten sich ihm gehorsam unterordnen und sich seinen Weisungen unterstellen. In einem solchen System wird zuerst das schwächste Glied krank und verliert seine Lebenskraft - vergleichbar einer Pflanze, die eingeht, wenn ihr Sonnenlicht und Feuchtigkeit genommen werden.

Die Tochter mit zwölf Jahren hatte offensichtlich noch nicht angefangen wirklich zu leben. Sie hatte an der Schwelle zum Erwachsenenalter Angst vor dem Leben als Frau und hat sich als lebend Tote erfahren.

Sie hat Jesus kennengelernt als den, der den Menschen - Frauen und Männern - den Gott des bedingungslosen JA zum Leben verkündet und den Menschen - Frauen und Männern - mit bedingungslosem JA zum Leben begegnet.

Jesus hat sie nicht in einem Augenblick, sondern einem längeren Begleitprozess aufgerichtet zum Leben, zu Lebensmut, zu Lebensfreude und Lebenskraft.

Jesus verkündet auch uns - Frauen und Männern - den Gott des bedingungslosen JA zum Leben. Damit gibt er uns einen Lernimpuls, zu unserem eigenen Leben und zum Leben unserer Mitgeschöpfe bedingungslos JA zu sagen und dieses JA im Umgang miteinander zu leben.