Der empathische Gott

Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Gefühle, Gedanken, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen, nachzuempfinden und zu verstehen.

Das altgriechische Wort "splagchnízomai" (σπλαγχνιζομαι), das in den Evangelien vorkommt, ist ein treffender Ausdruck für Empathie. Es bedeutet: Ich fühle mich tief ein, wie es jemandem geht. Ich versetze mich in jemandes körperlichen, seelischen, geistigen Zustand. Ich lasse mich berühren von jemandes Not, bin davon ergriffen. Ich lasse Sorgen und Leid eines anderen eindringen in mein Inneres, in mein Herz, wörtlich: in meine Eingeweide. Ich gehe ein Wegstück in den Schuhen eines anderen, um zu spüren, wie es sich in seinen Schuhen geht. Ich spüre mich ein in jemanden, um zu erfahren, was sein Herz bewegt. Ich bin tief interessiert am Leben und Sein meiner Mitgeschöpfe. Ich erspüre die Gedanken und Gefühle anderer, sodass sie sich von mir verstanden fühlen und verstanden wissen.

Empathie
Empathie

Unser Gott ist ein empathischer, ein unendlich einfühlender, teilnehmender und verstehender Gott. Sein Einfühlungsvermögen ist unbegrenzt. Er denkt unsere Gedanken und fühlt unsere Gefühle. Er versteht alles und alle. Er lacht mit uns, wenn wir fröhlich sind. Er weint mit uns, wenn wir traurig sind. Er leidet mit uns, wenn wir leiden. Er ist in allem und in allen und nimmt teil am ganzen Leben und Sein aller seiner Geschöpfe.

Empathischer Gott, wir glauben an dich.

Jesus hat uns mit seinem empathischen Umgang den empathischen Gott gezeigt. Das ist ersichtlich in verschiedenen Stellen in den Evangelien, in denen im griechischen Urtext das Wort "splagchnízomai" vorkommt. Die Einheitsübersetzung übersetzt nicht treffend mit "Mitleid haben". Es geht nicht um Mitleid, sondern Empathie. Empathie ist nicht Mitleid. Empathie ist vollkommen anders! Siehe oben!

Markus 1, 41: Jesus hatte Mitleid mit ihm (= dem Aussätzigen, Anm.); er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will - werde rein!
Markus 6, 34: Als er (= Jesus, Anm.) ausstieg (= aus dem Boot, Anm.), sah er die vielen Menschen und hatte Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.
Markus 8, 2: Ich (= Jesus, Anm.) habe Mitleid mit diesen Menschen; sie sind schon drei Tage bei mir und haben nichts mehr zu essen.
Markus 9, 22: Jesus fragte den Vater: Wie lange hat er (= der Sohn, Anm.) das schon? Der Vater antwortete: Von Kind auf; oft hat er (= der Dämon, Anm.) ihn sogar ins Feuer oder ins Wasser geworfen, um ihn umzubringen. Doch wenn du kannst, hilf uns; hab Mitleid mit uns!

Matthäus 9, 36: Als er (= Jesus, Anm.) die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.
Matthäus 14, 14: Als er (= Jesus, Anm.) ausstieg, sah er die vielen Menschen und hatte Mitleid mit ihnen und heilte ihre Kranken.
Matthäus 15, 32: Jesus rief seine Jünger zu sich und sagte: Ich habe Mitleid mit diesen Menschen; sie sind schon drei Tage bei mir und haben nichts mehr zu essen.

Lukas 7, 13: Als der Herr (= Jesus, Anm.) die Frau (= die Mutter des verstorbenen jungen Mannes aus Nain, Anm.) sah, hatte er Mitleid mit ihr und sagte zu ihr: Weine nicht!
Lukas 10, 33: Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam zu ihm; er sah ihn und hatte Mitleid.
Lukas 15, 20: Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von Weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm (= seinem heimkehrenden Sohn, Anm.). Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.

Empathie ist erlernbar. Wir gehen in die Jesus-Schule und lernen bei ihm Empathie.

In seinem Brief an die Römer ermutigt uns Paulus zum Empathie-Lernen: Nehmt Anteil an den Nöten eurer Mitgeschöpfe. Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden! (Römer 12, 13.15)

Wo Menschen ihren Mitgeschöpfen mit Empathie begegnen und einander verstehen, dort werden Welt und Zusammenleben friedvoll, hell und schön.