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Am Rand der Grabhöhlen - Jesus erzählt
Text: Matthäusevangelium 8, 28–34 - Übersetzung: Hoffnung für alle
28 Als Jesus am anderen Seeufer das Gebiet der Gadarener erreichte, kamen ihm zwei Männer entgegen, die von Dämonen beherrscht wurden. Sie hausten in Grabhöhlen und waren so gefährlich, dass niemand den Weg zu benutzen wagte, der dort entlangführte. 29 'Was willst du von uns, du Sohn Gottes?', fingen sie an zu schreien. 'Bist du gekommen, um uns schon jetzt zu quälen?' 30 In einiger Entfernung wurde eine große Schweineherde gehütet. 31 Die Dämonen baten ihn: 'Wenn du uns schon austreibst, dann lass uns wenigstens in diese Schweineherde fahren!' 32 Jesus befahl ihnen: 'Ja, fort mit euch!' Da verließen die Dämonen die beiden Männer und bemächtigten sich der Tiere. Sofort stürzte die ganze Herde den Abhang hinunter und ertrank im See. 33 Die Schweinehirten ergriffen die Flucht, rannten in die Stadt und erzählten, was sie alles erlebt hatten und was mit den beiden Besessenen passiert war. 34 Nun liefen alle Leute aus der Stadt Jesus entgegen. Sie baten ihn, ihre Gegend wieder zu verlassen.
Jesus erzählt
An einem Morgen, als wir das Boot verließen, betraten wir das Land der Gadarener. Ich spürte die Not dort, bevor ich sie sah. Es war wie ein Schrei, der nicht mit Worten kam, sondern mit einer Wunde, die sich lange schon nicht schließen konnte.
Dann kamen sie auf uns zu - zwei Männer, deren Leben schon viel zu lange vom Dunkel bestimmt war. Ihre Augen waren aufgewühlt, die Körper erschöpft, aber etwas in ihnen war hellwach und in ständiger Abwehr. Jahre voller Angst hatten ihre Gesichter gezeichnet. Niemand wagte sich mehr in ihre Nähe, und so hatten sie sich selbst kaum mehr als Menschen gefühlt.
Doch als sie mich sahen, war da ein Aufblitzen - nicht nur Angst, sondern ein Erkennen. Sie schrien, als wollten sie all das, was in ihnen festsaß, in einem einzigen Atemzug loswerden. Die Stimmen in ihnen hatten sie festgehalten, sie gezwungen, sich selbst fremd zu werden.
Ich stand da, und ich sah sie. Nicht ihre Verwirrung. Nicht ihre Gewalt. Ich sah die Männer, die sie einmal gewesen waren - und die sie im Tiefsten immer noch waren. Sie flehten, dass ich sie nicht quälen möge. Aber ich war nicht gekommen, um zu quälen. Ich war gekommen, um zu lösen, was gebunden war. Um zu trennen, was nicht zusammengehörte. Um die Würde zu suchen, die selbst unter Steinen von Schmerz noch nicht erstorben ist. Die Kräfte, die sie an sich rissen, wollten fliehen. Ich ließ es zu, denn Heilung ist manchmal ein Weg durch das Erzittern hindurch. Und als die Schweine davonrannten und ins Wasser stürzten, war ein Moment lang Chaos, Lärm, Erschrecken.
Dann geschah etwas. In den beiden Männern wurde es still. Zum ersten Mal seit vielen Jahren standen sie einfach da. Wie Menschen, die aufwachen aus einem schlechten Traum, der zu lange gedauert hat. Ihre Körper entspannten sich. Ihre Augen klarten auf. Und sie sahen mich - nicht mehr durch den Nebel der inneren Zerrissenheit, sondern mit einem offenen Blick, der beinahe scheu war. Sie waren frei. Nicht vollkommen geheilt von einer Stunde auf die andere. Aber frei, um neu zu beginnen. Frei, um heimzukehren zu sich selbst.
Die Leute aus dem Ort hatten Angst. Sie sahen den Verlust ihrer Tiere, nicht die Wiedergewinnung zweier Menschen. Manchmal fällt es schwer, die Freude Gottes zu teilen, wenn sie den eigenen Rahmen sprengt. Sie baten mich zu gehen. Und so ging ich. Aber die beiden Männer - sie blieben. Träger eines neuen Anfangs, Zeugen eines stillen Wunders, das niemand ihnen mehr nehmen konnte.
Oft denke ich an sie. An den Blick, der sich wandelte. An die Freiheit, die in ihnen aufstand. An die Würde, die wieder sichtbar wurde.
Jeder Mensch hat diese Würde - auch dort, wo alle anderen schon den Blick abwenden. Ich bin gekommen, damit sie wieder aufgerichtet wird. Und damit die Finsternis nicht länger Macht hat.