Die Wohnung Gottes
Text: Johannesevangelium 14, 22–31 - Einheitsübersetzung neu
22 Judas - nicht der Iskariot - fragte ihn: Herr, wie kommt es, dass du dich nur uns offenbaren willst und nicht der Welt? 23 Jesus antwortete ihm: Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen. 24 Wer mich nicht liebt, hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat. 25 Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. 26 Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. 27 Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht. 28 Ihr habt gehört, dass ich zu euch sagte: Ich gehe fort und komme wieder zu euch. Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich. 29 Jetzt schon habe ich es euch gesagt, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt. 30 Ich werde nicht mehr viel zu euch sagen; denn es kommt der Herrscher der Welt. Über mich hat er keine Macht, 31 aber die Welt soll erkennen, dass ich den Vater liebe und so handle, wie es mir der Vater aufgetragen hat. Steht auf, wir wollen von hier weggehen!
Gottes Wort bringt uns Hoffnung und Zukunft
Der vierte Evangelist verwendet an vielen Stellen den Begriff „die Welt”. Häufig verbindet er mit diesem Ausdruck Menschen, deren Herz für Gott noch verschlossen ist. Sie interessieren sich noch nicht für Gott. Sie machen sich noch keine Gedanken über Gott und reden noch nie von ihm. Sie haben noch kein Vertrauen auf Gott und beten noch nicht zu ihm. Gott bedeutet ihnen noch nichts oder sie haben ihn vergessen. Er ist noch wie ein ganz Fremder für sie und hat noch keinen Platz in ihrem Leben. Ob es Gott gibt oder nicht, ist ihnen noch keine Frage. Sie setzen noch auf ihre selbstgemachten irdischen Götter. Ihr ganzes Sinnen und Trachten dreht sich vorrangig noch um Essen und Bekleidung, um Aussehen und Schönsein, um Geld und materielle Dinge, um Geltung und Macht und um das eigene Ich. Davon erwarten sie noch ihren Lebenssinn, ihre Lebenserfüllung und ihr Lebensglück. Sie sind noch blind und taub für Gott. Und sie entwickeln noch keine Empfindsamkeit für Gott. Sie haben ihre innere Antenne noch nicht auf Gott ausgerichtet. Sie wissen noch nicht, dass Gott unvorstellbar Großes und Schönes für sie bereithält. Sie sind noch zugeschlossen, gleichsam wie verriegelt und undurchdringlich für das Evangelium Jesu. Jesu Worte können bei ihnen noch nicht ankommen.
„Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen”, sagt Jesus in diesem Evangelium. Jesus hat die frohe Botschaft Gottes zwar für alle Menschen in die Welt gebracht, doch nur wer Jesus liebt, das heißt mit anderen Worten, wer sich Jesus schon öffnet, ist schon erreichbar für sein Evangelium. Er interessiert sich schon für Jesu Worte. Er horcht schon auf sie und nimmt sie schon in sein Herz. Er beschäftigt sich schon mit ihnen, denkt schon über sie nach, versucht schon sie zu verstehen und zu leben. Der vierte Evangelist nennt das: „Jesu Wort festhalten”.
Wer seine Lebenstür für Jesus schon aufmacht, kann schon die Freude und die Hoffnung, die Zuversicht und den Trost, den Halt und die Kraft erfahren, die das Evangelium Jesu vermittelt. Und er kann schon tiefer erfassen, dass Gott in ihm wohnt. Dieses Erfassen, diese Erkenntnis wirkt und schenkt Gottes Geist.
Der Ort, wo Gott wohnt, ist das Herz des Menschen. Gott wohnt in meinem tiefsten Inneren. Mein Innerstes hat Gott als seine Wohnung erwählt. Heimkehren zu mir selber in mein Innerstes ist der Weg zu Gott. In meiner Tiefe kann ich ihm begegnen, in meinem Herzen kann ich seine Stimme hören, sein bedingungsloses, unbefristetes JA zu mir, und kann seine Ganzhingabe zu mir erfahren.
Auch wer den Weg in sein Innerstes, seinen Weg zu Gott schon angetreten hat, kann nicht sagen, dass er schon angekommen ist. Das werden wir in diesem Leben nie sein, weil der Weg zu Gott weit über die Grenzen des irdischen Lebens hinausführt. Es ist ein langer, hohe Ansprüche stellender Lernweg. Aber er ist zugleich voll von wunderbaren Stationen mit beglückenden Überraschungen und er bietet nicht selten einen Vorgeschmack vom endgültigen Ziel: dem ewigen Daheimsein bei Gott, dem vollen Eins sein mit IHM, der vollkommenen Geborgenheit in IHM, dem vollendeten Frieden und der unendlichen Glückseligkeit durch IHN.