Verurteil niemanden, denn auch du selbst willst nicht verurteilt werden!

Markusevangelium 14, 10–21

In seiner Rede auf dem Berg sagt Jesus: "Richtet nicht, damit auch ihr von Gott nicht gerichtet werdet." Was Jesus gesagt hat, hat er gelebt. Er hat es nicht mit seinem Leben widerlegt. Das ist unsere Überzeugung.

Die Verfasser der Evangelien gehen mit Judas Iskariot scharf ins Gericht. Sie nennen ihn Dieb, Verräter, Überläufer. Sie legen Jesus in den Mund, er habe Judas "einen Teufel" bezeichnet, oder noch heftiger über ihn geurteilt "Der Menschensohn muss zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn ausgeliefert wird! Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre." (Markusevangelium 14, 21) Gibt es eine größere Kränkung und Beleidigung für einen Menschen als diese Worte? Diese Worte soll Jesus gesagt haben? Das glauben wir nicht.

Das negative Bild von Judas Iskariot als Verräter ist in die Geschichte eingegangen bis heute. In den Evangelien von Matthäus, Markus und Lukas wird berichtet, dass Judas Iskariot Jesus von Nazareth an die jüdische Behörde verraten habe. Damit aber auch der Richtige ergriffen würde, vereinbarte er einen Kuss als Erkennungszeichen. Danach wird auch heute noch eine heuchlerisch freundliche Geste als "Judaskuss" bezeichnet.

Wir halten Judas Iskariot weder für den Verräter Jesu noch für einen von Jesus enttäuschten Überläufer zur Gegenseite noch für einen geldgierigen Menschen, sondern für einen von denen, die Jesus geliebt haben und von Jesus geliebt wurden, für einen seiner besten Freunde.

Judas wollte Jesus keinesfalls in den Tod bringen, sondern er wollte verhindern, dass Jesus sterben muss. Judas hatte den tödlichen Konflikt und die drohende Gefahr, die auf Jesus zukam, längst erkannt. Diese Gefahr wollte er von Jesus abwenden. Aber wie?

Judas wollte Jesus und seine Gegner zum klärenden Gespräch und zu Kompromissen bewegen, etwa nach dem Motto: Ihr seid doch alle Juden und gehört der gleichen Religion an. Es muss doch möglich sein, Wege zueinander zu finden. Redet euch zusammen! Wenn alle ein Stück von ihrem Standpunkt abrücken, muss es doch eine Einigung geben. Bis zum letzten Augenblick der Verhaftung Jesu war Judas bemüht, die beiden Seiten Jesus und die Oberen der jüdischen Religion zusammenzubringen.

Als Judas merkte, dass seine Bemühungen erfolglos blieben, kam die Verzweiflung über ihn.

Aus einem Bibelfilm unserer Tage mit dem Titel "Judas" haben wir eine zutiefst berührende Szene in Erinnerung. Judas läuft weg, um sein Leben zu beenden. Petrus erfasst diese Situation und rennt Judas nach, so schnell er kann, um ihn zu retten. Petrus ruft und schreit "Judas, Judas, Judas", immer wieder "Judas". Sein Schreien wird zuletzt ein Rufen und Weinen. Der Erste in der jungen Christengemeinde zeigt dabei sein warmes Herz, seine Barmherzigkeit für Judas. Petrus urteilt über Judas nicht und verurteilt ihn nicht, sondern will ihn vor dem Suizid bewahren. Auch wenn Petrus Judas nicht mehr einholt, er lebt die Worte Jesu: Wer von euch der Erste ist, soll euer erster Diener sein und für die anderen in ihren Ängsten, Nöten und Verzweiflungen eintreten.

Diesen Petrus in der Filmszene finden wir gut und treffend dargestellt.

Petrus, von dir wollen wir lernen: anstatt zu richten und zu verurteilen, zu helfen, da zu sein, wo Menschen unsere Nähe, unser Zuhören, unser Verstehen, unseren Trost und unsere Hilfe, kurzum das Sakrament der liebenden Zuwendung brauchen.

Petrus, wir danken dir für dein großartiges Beispiel!