Verdorrt - verhärtet - verstockt - geheilt
Text: Markusevangelium 3, 1–12 - Einheitsübersetzung neu
Als er wieder in die Synagoge ging, war dort ein Mann mit einer verdorrten Hand. Und sie gaben Acht, ob Jesus ihn am Sabbat heilen werde; sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn. Da sagte er zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und stell dich in die Mitte! Und zu den anderen sagte er: Was ist am Sabbat erlaubt - Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zu vernichten? Sie aber schwiegen. Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz, und sagte zu dem Mann: Streck deine Hand aus! Er streckte sie aus und seine Hand wurde wiederhergestellt. Da gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen. Jesus zog sich mit seinen Jüngern an den See zurück. Viele Menschen aus Galiläa aber folgten ihm nach. Auch aus Judäa, aus Jerusalem und Idumäa, aus dem Gebiet jenseits des Jordan und aus der Gegend von Tyrus und Sidon kamen Scharen von Menschen zu ihm, als sie hörten, was er tat. Da sagte er zu seinen Jüngern, sie sollten ein Boot für ihn bereithalten, damit er von der Menge nicht erdrückt werde. Denn er heilte viele, sodass alle, die ein Leiden hatten, sich an ihn herandrängten, um ihn zu berühren. Wenn die von unreinen Geistern Besessenen ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder und schrien: Du bist der Sohn Gottes! Er aber gebot ihnen, dass sie ihn nicht bekannt machen sollten.
Gottes Wort ist für uns wie Licht in der Nacht
Die Medizin spricht bei der verdorrten Hand von Muskelatrophie. Es handelt sich um Muskelabbau oder Muskelschwund im Bereich der Arme und Hände, ausgelöst durch Bewegungseinschränkung oder Bewegungsunfähigkeit dieser Organe infolge von Lähmungen oder von Einengung der Nervenwurzeln an der Halswirbelsäule oder von Entzündungsreaktionen hervorgerufen durch autoimmune Prozesse.
Wir verstehen diese körperliche Einschränkung symbollhaft als Verminderung des Lebens eines Menschen, als seelische Beeinträchtigung.
Wer oder was lässt einen Menschen nicht leben? Wer oder was hindert ihn, sich selbst zu entwickeln und zu entfalten? Wer oder was nimmt ihm seine Lebenskraft? Wer oder was blockiert ihn, zu sich selbst zu finden, sich selbst anzunehmen und zu lieben? Wer oder was schnürt ihn so ein, dass sein Ich verkümmert und verdorrt?
Der Bibeltext legt nahe, dass das abgeschnürte Ich des einen im Zusammenhang steht mit den verstockten Herzen der anderen, die das Gesetz höher stellen als Menschlichkeit. Sind sie selbst verdorrte Menschen und merken es nur noch nicht?
Das verstockte, verdorrte Herz ist hart, kalt, gefühllos und unempfindlich, es ist stur, starr, rechthaberisch und unnachgiebig.
"Steh auf und stell dich in die Mitte!" sagt Jesus zum Menschen mit der verdorrten Hand. "Steh auf! Lass es nicht zu, dass die hohen Herrn der Religion noch länger Macht über dich ausüben! Steh auf! Lass dich nicht mehr länger demütigen von ihnen! Du bist nicht ihr Eigentum! Du bist ihnen nicht zum Gehorsam verpflichtet. Folge Gott allein! Steh auf! Lass dir deinen Wert und deine Würde nicht nehmen, die Gott dir gegeben hat! Steh auf! Verbiete denen, die so tun, als ob sie Gott besitzen würden, dass sie dich weiterhin quälen mit ihren hunderten religiösen Vorschriften, mit ihren lebensfernen Traditionen! Gestatte ihnen nicht, dass sie dir im Namen Gottes Sünd- und Schuldängste einreden. Steh auf! Stell dich in die Mitte! Lass dich nicht mehr länger an den Rand drängen! Sag nein zu jeder Fremdbestimmung! Du bist eine eigenständige Person mit dem göttlichen Recht der Selbstbesrimmung! Geh mit mir, ich begleite dich auf dem Weg zur Freiheit der Kinder Gottes!"
In Scharen sind Menschen Jesus überallhin nachgelaufen: die Frauen, die Unreinen, die Zolleinheber, die Prostituierten, die zu Sündern Gestempelten, die Ehebrecher, Menschen, die schwer gefehlt haben, die in ihrer Seele Gekränkten und Zerstörten, sie alle kamen zu ihm. Wie ein Arzt richtete Jesus sie auf, gab ihnen ihre Würde zurück und half ihnen, immer mehr zu werden, wie Gott sie gedacht hat.