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Das Bild spricht eine eindringliche Sprache.
In seiner Mitte ruht das Antlitz Jesu -
ruhig, ernst und zugleich voller Wärme.
Es ist wie ein stiller Mittelpunkt,
aus dem alles ausgeht und zu dem alles zurückkehrt.
Sein Blick scheint nicht zu richten, sondern zu sagen:
'Du bist Salz. Du bist Licht.'
Es ist ein Blick, der uns nicht antreibt, sondern erinnert -
an das, was wir längst sind.
Um dieses Zentrum entfalten sich Szenen
aus dem alltäglichen Leben.
Sie erzählen von Menschen, die leuchten,
ohne es vielleicht zu wissen:
Oben links legt eine Lehrerin einem Jungen
ermutigend die Hand auf die Schulter.
Sie glaubt an ihn, obwohl er selbst gerade zweifelt.
Hier wird Licht spürbar -
nicht spektakulär, sondern still und stärkend.
Oben rechts greift ein Mann schlichtend in einen Streit ein.
Er steht dazwischen, hebt beschwichtigend die Hände.
Hier wirkt Salz:
Es bewahrt, verhindert, dass Bitterkeit weiterwächst.
Es bringt Frieden, wo zuvor Hitze war.
Unten links hört eine Jugendliche einem obdachlosen Mann zu.
Sie hält seine Hand, sie ist einfach da.
Dieses Dasein ist Licht - es sagt:
'Du bist nicht unsichtbar.'
Es ist Salz - es bewahrt ein Stück Würde.
Unten rechts hält eine Pflegerin
einer sterbenden Frau die Hand.
Sie spricht vielleicht kein Wort,
und doch ist ihre Geste ein starkes Evangelium:
Licht, das wärmt. Salz, das trägt.
In all diesen Szenen geschieht nichts 'Großes'.
Kein Wunder, keine Bühne.
Und doch wird sichtbar, was Jesus meint:
Licht leuchtet mitten im Gewöhnlichen.
Salz wirkt unscheinbar, aber unverzichtbar.
Das Antlitz Jesu in der Mitte verbindet alles.
Es erinnert:
Dieses Licht, dieses Salz, das sind nicht Leistungen,
die wir mühsam erbringen.
Es sind Ausdrucksformen unseres tiefsten Wesens.
Wir tragen sie bereits in uns - göttliche Funken,
die sich in menschlicher Zuwendung zeigen.
Das Bild lädt ein, Salz und Licht zu sein -
im Kleinen, im Unscheinbaren, im Alltäglichen.
Salz und Licht - mitten im Alltag
Text: Matthäusevangelium 5, 13-16 - Übersetzung dem griechischen Originaltext nahe
13 Ihr seid das Salz der Erde; wenn aber das Salz fade geworden ist, womit wird es wieder salzig gemacht werden? Zu nichts ist es mehr stark, außer dass es hinausgeworfen und von den Menschen zertreten wird. 14 Ihr seid das Licht der Welt. Nicht kann eine Stadt verborgen werden, die oben auf einem Berg liegt; 15 auch eine Lampe zünden sie nicht an und stellen sie sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter, und sie leuchtet allen im Haus. 16 So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie sehen eure guten Werke und preisen euern Vater in den Himmeln.
Tiefenpsychologische Überlegungen
1. Salz und Licht - Symbole für die innere Lebenskraft
Salz und Licht sind zwei Urbilder, die tief im kollektiven Unbewussten verankert sind. Sie gehören zu den elementarsten Erfahrungen des Menschseins: Salz steht für das, was das Leben würzt, erhält, bewahrt - für Lebenskraft, Sinn, Intensität. Licht steht für Bewusstsein, Klarheit, Orientierung, Sinnfindung - für das Durchdringen der Dunkelheit. Wenn Jesus sagt: 'Ihr seid das Salz der Erde' und 'Ihr seid das Licht der Welt', spricht er nicht von einer moralischen Aufgabe, sondern von einer inneren Wirklichkeit, die im Menschen bereits angelegt ist. Tiefenpsychologisch gesprochen: Diese Sätze sind ein Appell an das Selbst, an das innerste Zentrum der Persönlichkeit, das nach C. G. Jung 'die Ganzheit des Menschen' bezeichnet. Dieses Selbst hat das Potential, Licht zu sein und Leben zu nähren - nicht aus Leistung, sondern aus seinem Wesen heraus.
2. Salz ohne Kraft - Licht unter dem Scheffel: Der Schattenaspekt
Jesus spricht nicht nur vom Salz und Licht, sondern auch von ihrer möglichen Entwertung: 'Wenn das Salz kraftlos wird ...' 'Man stellt das Licht nicht unter den Scheffel ...' Hier wird der Schatten thematisiert, wie ihn Jung beschreibt: jene verdrängten oder ungelebten Anteile unserer Persönlichkeit, die unser Licht verdunkeln oder unsere Lebenskraft schwächen können. Salz verliert seine Kraft, wenn der Mensch seine innere Mitte verliert - wenn Angst, Anpassung oder Gleichgültigkeit seine Lebendigkeit zersetzen. Licht wird unter den Scheffel gestellt, wenn wir unser inneres Leuchten verbergen - aus Furcht vor Ablehnung, aus Scham, aus falscher Bescheidenheit oder innerer Spaltung. Tiefenpsychologisch heißt das: Jeder Mensch trägt Licht und Kraft in sich, doch sie können verschüttet oder verdeckt sein. Die Aufgabe des inneren Weges besteht darin, diese Potentiale freizulegen, zu integrieren und zum Strahlen zu bringen.
3. Selbstwerdung: Das eigene Licht entzünden
Der Satz 'So soll euer Licht leuchten vor den Menschen' ist keine Aufforderung zur Selbstdarstellung, sondern zur Selbstwerdung - also zum Prozess, das zu werden, was man im tiefsten Wesen ist. Wer sein Licht leuchten lässt, lebt aus der eigenen Mitte heraus. Wer 'Salz der Erde' ist, bringt sein unverwechselbares Wesen in die Welt ein und gibt ihr damit Geschmack. Diese innere Entwicklung erfordert Mut: Licht bedeutet Bewusstsein - und Bewusstsein wächst nur, wenn man sich auch dem Dunklen, Verdrängten stellt. Salz erhält nur dann seine Kraft, wenn es nicht verdünnt, sondern konzentriert ist - ebenso braucht das Selbst Klarheit und Echtheit.
4. Archetypische Dimension: Salz und Licht als Symbole der Ganzheit
In der Symbolsprache des kollektiven Unbewussten sind Salz und Licht archetypische Bilder der Wandlung: Salz: Alchemistisch ist Salz ein Symbol für Beständigkeit und Menschwerdung - es 'erdet' den Geist und bindet ihn an die Wirklichkeit. Es verweist auf die Fähigkeit, das Geistige im Konkreten zu leben. Licht: Licht ist ein universales Symbol für Geist, Bewusstsein, Sinn und Transzendenz. Es verweist auf das göttliche Prinzip im Menschen, das ihn zur Ganzheit drängt. Wenn Jesus sagt: 'Ihr seid das Salz ... ihr seid das Licht', dann spricht er nicht nur zu Individuen, sondern zum archetypischen Menschen - zu dem, was in jedem Menschen göttlich und schöpferisch ist. Es ist eine Erinnerung daran, dass das Göttliche nicht über uns, sondern in uns ist.
5. Psychologische Aktualisierung: Licht weitergeben - nicht besitzen
Licht ist kein Besitz, den man festhalten kann - es wird heller, indem man es weitergibt. Und Salz wirkt nicht in sich selbst, sondern in dem, was es durchdringt. In der tiefenpsychologischen Sprache heißt das: Das Selbst verwirklicht sich nicht im Rückzug, sondern im Dialog mit der Welt. Wer sein Licht nicht teilt, verliert es. Wer sich selbst nicht einbringt, versiegt. Damit wird deutlich: Der Weg zur inneren Ganzheit ist untrennbar mit Verantwortung verbunden. Selbstwerdung ist nicht Selbstverwirklichung im egozentrischen Sinn, sondern die Entfaltung des Eigenen zum Wohl des Ganzen.
Fazit: 'Werde, was du bist'
Matthäus 5,13-16 ist tiefenpsychologisch gesehen ein Aufruf zur Selbstwerdung und zur aktiven Präsenz in der Welt. Salz und Licht sind nicht Aufgaben, sondern Wesensmerkmale. Sie erinnern uns daran: Du bist nicht dazu berufen, jemand anderes zu werden - sondern ganz du selbst. Dein Licht soll nicht versteckt, sondern gelebt werden. Deine Einzigartigkeit ist nicht Luxus, sondern ein Geschenk an die Welt. Oder mit Meister Eckhart gesprochen: 'Gott bedarf deines Wirkens nicht, wohl aber bedarf die Welt deines Lichtes.'
Gottes Wort ist wie ein Stern in der Dunkelheit
1. Du bist nicht 'irgendwer'
Jesus sagt nicht: 'Ihr sollt Salz werden' oder 'Ihr müsst Licht werden'. Er sagt: 'Ihr seid es.' Das ist ein gewaltiger Unterschied. Es ist keine Forderung, kein moralischer Appell. Es ist eine Zusage. Eine Erinnerung. Eine Entdeckung dessen, was in dir schon längst angelegt ist. Du bist nicht berufen, dich selbst ständig zu optimieren oder jemand anderes zu werden. Du bist berufen, das, was in dir leuchtet, nicht länger zu verstecken. Viele von uns tun genau das: Wir stellen unser Licht unter den Scheffel. Wir passen uns an. Wir halten uns zurück. Wir sagen: 'Wer bin ich schon?' oder 'Was kann ich schon ausrichten?' - und ahnen nicht, dass die Welt genau unsere Wärme, unser Licht, unseren Geschmack braucht.
2. Eine Frau und ihr 'Salz'
Ich denke an eine unscheinbare Frau in einer kleinen Stadt. Sie pflegt seit Jahren ihren schwer kranken Mann zu Hause. Niemand sieht, was sie tut. Keine Zeitung berichtet darüber. Kein Applaus, keine Bühne. Kein Mikrophon. Kein Vor-den-Vorhang geholt werden. Und doch ist sie Salz der Erde. Sie erhält Leben. Sie verhindert, dass Bitterkeit und Verzweiflung überhandnehmen. Sie schenkt Menschlichkeit. Salz wirkt nicht durch Lautstärke oder Größe. Salz wirkt unsichtbar - indem es durchdringt, verwandelt, bewahrt. Diese Frau lebt das Evangelium, ohne ein Wort davon zu wissen.
3. Ein Licht im Dunkel
Oder ein Mann. Er war jahrelang verbittert. Die Entlassung aus der Firma, die Scheidung, der Bruch mit seinen Kindern - all das hatte ihn in die Dunkelheit gestürzt. Bis eines Tages ein junger Nachbar klingelte. Einfach so. 'Ich hab' zu viel gekocht. Möchtest du mit mir essen?' - Es war ein kleines Licht, fast nichts. Aber es begann zu leuchten. Aus einem gemeinsamen Essen wurden Gespräche. Aus Gesprächen wuchs Vertrauen. Heute sagt diesr Mann: 'Mein junger Nachbar hat mein Leben verändert. Er hat mir gezeigt, dass ich nicht unsichtbar bin.' Licht ist nicht spektakulär. Es genügt, dass es da ist. Ein kleines Licht vertreibt die Dunkelheit - nicht durch Kampf, sondern durch Sein.
4. Der Schatten: Salz, das kraftlos wird
Jesus spricht auch von der Gefahr, dass Salz seine Kraft verliert. Tiefenpsychologisch gesprochen: Das geschieht, wenn wir uns selbst verlieren. Wenn wir nur noch funktionieren. Wenn Angst, Resignation oder Gleichgültigkeit unser Leben bestimmen. Dann werden wir schal - für andere, aber auch für uns selbst. Dann spüren wir: Da ist kein Geschmack mehr, kein Feuer, keine Freude. Der Weg zurück beginnt nicht mit Leistung, sondern mit Erinnerung: Ich bin Salz. Ich bin Licht. Ich habe etwas, was diese Welt braucht. Vielleicht ist es verschüttet, aber es ist da.
5. Mut zum Leuchten
Viele Menschen haben Angst, ihr Licht zu zeigen. Sie sagen: 'Ich will mich nicht aufdrängen.' Aber Jesus ruft uns nicht zur Selbstdarstellung auf. Er ruft uns zur Selbstwerdung. Dein Licht soll nicht dich selbst beleuchten, dich nicht selbst verherrlichen. Es soll anderen Orientierung geben. Es soll Wärme schenken, Trost spenden, Hoffnung wecken. Licht ist kein Besitz, den man horten kann. Es wird heller, wenn man es teilt. Salz wirkt nicht, wenn es im Salzfass bleibt. Es entfaltet seine Kraft nur, wenn es sich hingibt.
6. Salz und Licht - mitten im Alltag
Eine Lehrerin, die einem Kind trotz schlechter Noten sagt: 'Ich glaube an dich.'
Ein Nachbar, der bei einem Streit schlichtend eingreift, statt wegzuschauen.
Eine Jugendliche, die einem Obdachlosen zuhört.
Eine Pflegerin, die einer Sterbenden die Hand hält.
All das sind kleine Gesten. Und doch sind sie Salz und Licht. Sie lassen etwas von der göttlichen Wirklichkeit aufscheinen, die Jesus meint.
7. Gott in uns
Tief in uns - so sagt es C. G. Jung - gibt es ein Zentrum, das mehr ist als unser Ego: das Selbst, die Quelle unserer Ganzheit. Dieses Selbst ist Licht. Es drängt danach, zu leuchten. Es ist Salz. Es will würzen, es will Leben nähren. Wenn Jesus sagt: 'Ihr seid das Licht der Welt', dann spricht er genau das göttliche Zentrum in uns an. Er sagt: Du musst nicht von außen holen, was du innen längst bist. Lass es nur nicht verdeckt sein. Lass es frei.
'Werde, was du bist'
Das Evangelium ruft uns nicht zu einem 'Mehr' auf - nicht zu mehr Leistung, mehr Moral, mehr Frömmigkeit. Es ruft uns zu einem 'Wesen' auf:
Werde, was du bist.
Lass dein Licht leuchten.
Sei Salz für die Erde.
Vielleicht klein. Vielleicht unscheinbar. Aber unersetzlich. Denn die Welt braucht nicht die Perfekten. Sie braucht die Leuchtenden. Und jede und jeder von uns
kann eine/r davon sein.