Kommentar zu Matthäus 4, 1-11

"vom Geist geführt": Das bedeutet: Jesus überließ sich der Führung des Gottesgeistes.

Die Wüste ist für den Orientalen nicht nur die menschenleere Öde, sondern auch ein Ort, wo man allein und auf sich gestellt lernt, nicht auf sich, sondern auf Gott zu vertrauen, nicht so sehr auf Menschen, sondern auf Gott zu hören. Den Juden erinnerte die Wüste an das entscheidende Ereignis in der Geschichte seines Volkes, den Auszug aus der Versklavung in Ägypten und den vierzigjährigen Aufenthalt in der Wüste.

"Wüste" ist hier kein geographischer, sondern ein symbolischer Begriff und steht für das Innen des Menschen, für die Tiefe seiner Seele.

Die Zahl "40" ist in der Bibel eine Symbolzahl. Der Ausdruck "vierzig Tage" oder "vierzig Jahre" bedeutet Zeit des Leerwerdens, des Loslassens, Lernens, des Wachsens und Reifens, Zeit der Bewährung, Zeit der Vorbereitung, Zeit reifender Entscheidungen.

Fasten heißt, Abstand gewinnen von allen Äußerlichkeiten und von mir selber, um leer, frei und klar zu werden.

"Da trat der Versucher an ihn heran": Es hat sich nicht um eine äußere Begegnung Jesu mit einer Satansgestalt gehandelt, sondern um ein inneres Suchen und Ringen, um einen Klärungs- und Läuterungsprozess, der sich in der Seele Jesu abgespielt hat. Jesus musste durch innere Krisen und Zweifel hindurch, bis seine Persönlichkeit gereift ist, bis er sich selber und seinen Weg gefunden und seinen Auftrag von seinem Vater erkannt hat. Der junge Mann aus Nazareth stand vor der bedeutenden Entscheidung, welchen Lebensweg er einschlagen sollte. Er sah die Verlockungen dieser Welt vor sich. Er fühlte den betörenden Reiz des Geldes, den anziehenden Zauber alles Irdischen und er spürte den süßen Geschmack von Ruhm und Macht. In dieser Phase des inneren Wachsens und Reifens wurde Jesus die Gefahr offenbar, das Herz an die irdischen Dinge zu hängen, von ihnen volles Lebensglück und Lebenssinn zu erwarten, ihnen zu erliegen und sie an die Stelle Gottes zu heben. Jesus durchschaute die Folgen und Auswirkungen der Anbetung des Geldes und des Kniefalls vor der Macht. Und er kam zur Überzeugung, dass nur einer wert ist, das Knie vor ihm zu beugen und ihn anzubeten: der Gott der unendlichen und ewigen Liebe.

"Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt": Jesus zitiert eine Stelle aus dem 5. Buch Mose (8, 2f): "Du sollst an den ganzen Weg denken, den der HERR, dein Gott, dich während dieser vierzig Jahre in der Wüste geführt hat, um dich gefügig zu machen und dich zu prüfen. Er wollte erkennen, wie du dich entscheiden würdest: ob du seine Gebote bewahrst oder nicht. Durch Hunger hat er dich gefügig gemacht und hat dich dann mit dem Manna gespeist, das du nicht kanntest und das auch deine Väter nicht kannten. Er wollte dich erkennen lassen, dass der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was der Mund des HERRN spricht."

"denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er um deinetwillen, und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt": Der Versucher argumentiert nun auch mit einer Bibelstelle, und zwar mit einer Stelle in einem alttestamentlichen Psalmengebet (Ps 91, 11-12): Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.

"Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen": Jesus antwortet mit einer Episode während der Wüstenwanderung des Volkes Israel, wo die Israeliten von Gott Wasser verlangt, Mose zu steinigen gedroht und Jahwe "auf die Probe gestellt" hatten, indem sie sagten: Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht? (. Buch Mose 17, 7b) Darauf spielt Mose in seiner Rede an, aus der Jesus nun zitiert: Ihr sollt den Herrn, euren Gott, nicht auf die Probe stellen, wie ihr ihn bei Massa auf die Probe gestellt habt.(5. Buch Mose 6, 16)

Nicht nur die Worte, sondern die ganze Szene zeigen das Wesen des Versuchers. Er maßt sich an, Gott zu sein. Jesus antwortet mit einer Stelle aus dem 5. Buch Mose: Du sollst dich nicht vor ihnen (= anderen Göttern) niederwerfen und ihnen nicht dienen.(5, 9a)