Kein Richten im Reich Gottes

Matthäusevangelium 7, 1–5

Den Stab brechen
Den Stab brechen, Relief im Geschichtsfries
am Neuen Rathauis Hannover, unbekannter Künstler

Über andere urteilen und richten, andere verurteilen und über sie den Stab brechen, scheint, uns angeboren zu sein. Ganz sicher haben wir es von klein auf durch Nachahmung gelernt; denn urteilen, richten, verurteilen geschieht überall auf der Welt nicht nur täglich, sondern minütlich. Die Verkündigung des richtenden, strafenden, verdammenden Gottes hat auch massiv dazu beigetragen, uns über andere als Richter aufzuspielen. Denn was Gott tut, kann für uns Menschen nicht falsch sein, es ihm nachzutun.

Es fällt uns so leicht, im Auge des anderen den Splitter, und so schwer, im eigenen Auge den Balken zu sehen.

Weil das Richterverhalten so tief in uns sitzt, gleichsam wie eine Gewohnheit, ist es schwer, uns davon zu lösen. Wir müssen von Grund auf neu lernen, nochmals von Neuem beginnen. Nur in einem dauernden Prozess können wir das Umlernen schaffen.

Was hilft uns dabei?

Im Johannesevangelium lesen wir: "Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird" (Johannes 3, 17) und "ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um die Welt zu retten" (Johannes 12, 47).

Wer mich sieht, sieht Gott, sagt uns Jesus. Wie Jesus ist, so ist Gott. Wie Jesus handelt, so handelt Gott. Jesus zeigt uns den unendlich barmherzigen, bedingungslos vergebenden Gott. Den richtenden, verurteilenden, verdammenden Gott haben sich Menschen für ihre persönlichen Interessen und Ziele ausgedacht.

Die Gottesverkündigung Jesu ist befreiend. Wir dürfen felsenfest überzeugt sein, dass Gott uns nicht richtet und verurteilt. Er richtet uns auf, nimmt uns die Angst, stärkt uns den Rücken, spricht uns Mut zu, tröstet uns. Wir dürfen lernen. Er hat Geduld mit uns. Er schenkt uns die Zeit zum Lernen, zum Wachsen, zum Reifen.

Weil Gott mich nicht richtet und verurteilt, brauche ich nicht länger mehr mit mir selbst ins Gericht zu gehen und mich zu verurteilen. Ich darf mich annehmen, wie ich bin. Ich darf mir selbst vergeben.

Jetzt kann der nächste Lernschritt erfolgen. Wenn ich mich selbst nicht mehr richte und verurteile, werde ich auch den Splitter im Auge meiner Mitmenschen nicht mehr länger suchen und aus ihren Augen ziehen. Ich werde lernen, andere nicht mehr zu richten und zu verurteilen.