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Wahrhaftig zu sprechen heißt:
aus der eigenen Mitte heraus zu leben.
Ein einfaches 'Ja' - und es ist wirklich Ja.
Ein schlichtes 'Nein' - und es bleibt Nein.
Zwischen diesen beiden Worten
liegt unser Weg zur inneren Freiheit.
Denn wer aus Angst Ja sagt, verrät sich selbst.
Wer aus Furcht Nein sagt, verschließt sein Herz.
Klares Sprechen beginnt mit klarem Hören -
dem Hören auf das, was in uns wahr ist.
Jesus lädt uns ein, aus dieser Wahrheit zu leben:
nicht aus Masken, nicht aus Angst, nicht aus Berechnung.
Dann trägt unser Wort Gewicht.
Dann entsteht Vertrauen.
Dann spiegelt sich in uns etwas von Gottes Klarheit.
Ja - ja. Nein - nein.
So einfach. So schwer. So heilend.
Ja und Nein - Spiegel innerer Ganzheit
Text: Matthäusevangelium 5, 37 - Übersetzung: Elberfelder Bibel
Es sei aber euer Wort Ja ein Ja, und Nein ein Nein! Was aber darüber hinausgeht, ist vom Bösen.
Tiefenpsychologische Überlegungen
1. Die Einfachheit des Wortes als Ausdruck innerer Einheit
In diesen wenigen Worten liegt eine erstaunliche Tiefe. Jesus spricht nicht einfach über Höflichkeit oder Sprachstil, sondern über eine innere Haltung. Ein 'Ja' oder ein 'Nein', das eindeutig und verlässlich ist, entspringt einer Person, die mit sich selbst im Einklang ist. Tiefenpsychologisch betrachtet, setzt ein klares Ja oder Nein voraus, dass Bewusstes und Unbewusstes nicht gegeneinander arbeiten. Es ist Ausdruck einer integrierten Persönlichkeit, die weiß, was sie will, was sie fühlt, was sie denkt - und die diese innere Klarheit auch nach außen lebt. Wo innere Zerrissenheit herrscht, wird auch die Sprache schwammig: 'Eigentlich ja, aber ...' - 'Vielleicht doch eher nein, obwohl ...'. Solche Unschärfen verraten oft, dass ein Teil des Inneren etwas anderes will als der andere. Der Mensch spricht nicht aus einer Mitte, sondern aus widersprüchlichen Teilstimmen heraus. Jesu Wort ist hier ein Aufruf zur Ganzheit und Wahrhaftigkeit.
2. Zwischen Anpassung und Authentizität
Viele Menschen lernen früh, dass es gefährlich sein kann, einfach 'Ja' oder 'Nein' zu sagen. Wer zu oft Ja sagt, aus Angst, abgelehnt zu werden, verrät sich selbst. Wer zu oft Nein sagt, um sich zu schützen, verschließt sich dem Leben. Beides sind Abwehrmechanismen, die aus tieferliegenden Konflikten stammen: aus der Angst, nicht geliebt zu werden, aus alten Erfahrungen von Bestrafung, Scham oder Zurückweisung. Das klare Wort, von dem Jesus spricht, ist kein trotziges 'Nein' und kein unterwürfiges 'Ja'. Es ist die Sprache eines Menschen, der sich selbst kennt und achtet - und deshalb auch den anderen achten kann. Authentizität entsteht dort, wo wir gelernt haben, unsere inneren Impulse zu hören und ihnen zu vertrauen, statt sie ständig an äußere Erwartungen anzupassen.
3. Ja und Nein als Ausdruck der Freiheit
Das 'Ja' und 'Nein' sind die elementarsten Ausdrucksformen des Willens. Tiefenpsychologisch sind sie die ersten Werkzeuge, mit denen das Ich sich gegenüber der Welt behauptet. Ein Kleinkind sagt 'Nein!' - und erprobt damit sein eigenes Selbst. Später lernt es auch 'Ja!' zu sagen - und damit zu verbinden, sich zu öffnen und hinzugeben. Reife besteht nicht darin, nur noch Ja oder nur noch Nein zu sagen, sondern bewusst zu wählen. Wer ein innerlich freies Nein sprechen kann, ohne Schuldgefühle, und ein Ja, ohne sich zu verleugnen, hat einen entscheidenden Schritt in seiner psychischen Entwicklung getan. Jesus ruft genau zu dieser Freiheit: Lass dein Wort aus deinem Innersten kommen. Lass es frei sein von Angst, Berechnung, Manipulation oder Maskierung.
4. 'Was darüber ist, ist vom Bösen' - das Reich der Spaltung
Die Worte 'was darüber ist, ist vom Bösen' klingen hart, doch tiefenpsychologisch gesehen meint Jesus damit: Wo wir nicht klar sind, schleicht sich das Spaltende ein - das, was uns innerlich zerreißt. Dort entsteht Raum für Selbsttäuschung, für Doppelbödigkeit, für das Spiel mit Masken. Carl Gustav Jung würde sagen: Wo das Wort nicht einfach 'Ja' oder 'Nein' ist, meldet sich der 'Schatten' - der verdrängte Teil von uns, der unsicher ist, gefallen will, Macht sucht oder Angst hat. Der Schatten ist nicht 'böse' im moralischen Sinn, aber er bringt Unklarheit, wenn er unbewusst bleibt. Erst wenn wir ihn integrieren, wenn wir auch die Angst, die Unsicherheit, das Bedürfnis nach Zustimmung anschauen, können wir klar sprechen.
5. Die Übung der Wahrhaftigkeit
'Ja, ja - nein, nein' ist keine Forderung nach Starrheit, sondern eine Einladung zu einer Übung der Wahrhaftigkeit. Jedes Mal, wenn wir bewusst Ja sagen - und es auch meinen -, oder bewusst Nein sagen - und es auch tragen -, wächst in uns ein Stück Ganzheit.
Diese Klarheit wirkt heilend - auf uns selbst und auf andere. Denn ein Mensch, dessen Wort verlässlich ist, gibt Orientierung und Vertrauen. Er wird durchschaubar, transparent, echt. Er lebt aus seiner Mitte - und das ist es, was Jesus meint.
Tiefenpsychologisch gesehen ist Jesu Wort ein Aufruf zu innerer Stimmigkeit und psychischer Reife:
Ein klares 'Ja' oder 'Nein' setzt innere Einheit voraus.
Es ist Ausdruck einer Persönlichkeit, die sich selbst kennt und annimmt.
Es befreit aus Anpassung, Angst und Maskenspiel.
Es schützt vor Spaltung und Unwahrhaftigkeit.
Und es ist ein täglicher Übungsweg - hin zur Integration des ganzen Menschen.
'Ja, ja - nein, nein' ist nicht nur eine Frage der Sprache, sondern eine Frage des Seins. Wer klar spricht, lebt aus einer klaren Mitte.
Gottes Wort ist befreiend für uns
Es sind nur wenige Worte, und doch haben sie eine Sprengkraft, die weit über das hinausgeht, was man auf den ersten Blick hört: 'Es sei aber euer Wort: Ja, ja; nein, nein! Was darüber ist, ist vom Bösen.' So schlicht sagt Jesus es in der Bergpredigt. Und so schwer tun wir uns damit im Alltag. Denn mit dem klaren Ja und dem klaren Nein ist es nicht so einfach. Wie oft sagen wir 'Ja', obwohl wir 'Nein' meinen. Wie oft sagen wir 'Nein', obwohl wir uns nach einem 'Ja'' sehnen. Und wie oft flüchten wir uns in ein verschwommenes 'Vielleicht', ein 'eigentlich', ein 'mal sehen' - weil wir es selbst nicht so genau wissen oder weil wir niemanden verletzen wollen. Jesus aber spricht eine radikale Einfachheit aus: Ja oder Nein. Nicht mehr. Nicht weniger.
Wer ein klares Wort sprechen will, muss zuerst bei sich selbst ankommen. Denn unsere Worte sind nicht einfach Töne, sie sind Ausdruck unseres Innersten. Ein Ja, das nicht aus dem Herzen kommt, ist ein leeres Geräusch. Ein Nein, das aus Angst gesagt wird, ist keine Freiheit. Wenn Jesus sagt: 'Euer Ja sei ein Ja', dann meint er: Lass dein Wort Ausdruck deiner inneren Wahrheit sein. Lass es aus der Mitte kommen. Lass es getragen sein von dem, was du wirklich willst, fühlst, denkst. Das klingt selbstverständlich - und doch ist es selten. Denn viele von uns haben früh gelernt, dass sie nicht sie selbst sein dürfen. Wir sagen Ja, um geliebt zu werden. Wir sagen Nein, um uns zu schützen. Wir verstellen uns, um zu gefallen. Und wir verlieren dabei den Kontakt zu unserem innersten Willen. 'Ja' und 'Nein' sind dann nicht mehr Ausdruck der Wahrheit, sondern Strategien. Sie werden Mittel zur Anpassung oder zur Abgrenzung - und verlieren ihre Klarheit.
Vielleicht erinnern Sie sich: Kinder lernen zuerst das Nein. 'Nein!' - es kommt oft und laut, mit ganzer Kraft. Dieses Nein ist ein erster Ausdruck des eigenen Ichs. Es sagt: Ich bin da. Ich will nicht, was du willst. Ich bin ich. Später lernen wir das Ja - und damit die Fähigkeit zur Beziehung. Ein bewusstes Ja öffnet Türen, lässt Nähe zu, schafft Vertrauen. Reif ist ein Mensch dann, wenn er beides kann: Nein sagen, ohne Angst zu haben, und Ja sagen, ohne sich selbst zu verlieren. Ein klares Nein kann eine Form der Liebe sein. Ein klares Ja kann eine Form der Freiheit sein.
Jesus fügt einen Satz hinzu, der uns aufhorchen lässt: 'Was darüber ist, ist vom Bösen.' Tiefenpsychologisch heißt das: Wo unser Wort nicht mehr eindeutig ist, dort mischen sich fremde Kräfte ein. Dort redet nicht mehr das Selbst, sondern die Angst. Dort spricht nicht mehr unser Innerstes, sondern die Sehnsucht nach Anerkennung, die Furcht vor Ablehnung, der Wunsch, es allen recht zu machen. Diese Unklarheit spaltet uns innerlich. Sie macht uns unehrlich - nicht nur anderen gegenüber, sondern auch uns selbst gegenüber. Und sie schafft Misstrauen. Denn wo Worte nicht mehr gelten, verlieren Beziehungen ihren Halt. 'Was darüber ist, ist vom Bösen' - das ist kein moralischer Zeigefinger. Es ist die Erkenntnis: Wo wir nicht klar sind, verlieren wir uns selbst.
Menschen, die Ja meinen, wenn sie Ja sagen,und Nein meinen, wenn sie Nein sagen, sind verlässlich. Sie geben Orientierung. Sie schaffen Vertrauen. Und sie tun das nicht, weil sie immer recht hätten, sondern weil sie ganz bei sich sind. Ein Mensch, der gelernt hat, aus seiner Mitte zu sprechen, muss nicht schwören, nicht beschwören, nicht beteuern. Sein Wort trägt von selbst Gewicht. So wie ein Baum nicht schreien muss, dass er da ist - er steht einfach da.
'Ja, ja - nein, nein' ist keine Forderung, die man sofort erfüllen kann. Es ist ein Weg. Eine spirituelle Übung. Es beginnt mit kleinen Schritten: Mit dem Mut, einmal Nein zu sagen, wo wir sonst aus Gewohnheit Ja gesagt hätten. Mit dem Mut, Ja zu sagen, wo wir uns sonst hinter Ausreden versteckt hätten. Mit dem Mut, uns selbst ehrlich zu fragen: Was will ich wirklich? Was entspricht meiner Wahrheit? Es geht nicht um Starrheit. Es geht nicht darum, immer sofort eine Meinung zu haben. Es geht darum, dass unser Wort aus dem Innersten kommt - aus einer Quelle der Wahrheit, die nicht von Angst oder Berechnung getrübt ist.
In der Bibel ist Gottes eigenes Wort von dieser Klarheit geprägt. Gott sagt Ja zum Leben. Ja zu seiner Schöpfung. Ja zum Menschen. Und wo nötig, sagt er Nein zu dem, was zerstört und verletzt. Wenn wir lernen, unser Ja und unser Nein aus der Tiefe unseres Seins zu sprechen, dann spiegeln wir etwas von diesem göttlichen Wesen wider. Dann wird unser Wort nicht nur menschlich ehrlich, sondern göttlich wahrhaftig.
'Es sei aber euer Wort: Ja, ja; nein, nein.' Diese Worte sind Einladung und Herausforderung zugleich. Sie rufen uns dazu auf, Menschen der Klarheit zu werden. Menschen, deren Wort verlässlich ist, weil es aus einer inneren Einheit kommt. Menschen, die nicht aus Angst reden, sondern aus Wahrheit. Und vielleicht beginnt das Reich Gottes genau dort - wo ein Mensch wieder lernt, Ja zu sagen und es so zu meinen. Und Nein zu sagen und dabei sich selbst treu zu bleiben.