Inwendig
generiertes Bild: Inwendig

Klicke auf das Bild, um es zu vergrößern!

Inwendig

Text: Lukasevangelium 17, 20–21 - Übersetzung: Luther Bibel 1545

20 Da er (= Jesus) aber gefragt ward von den Pharisäern: Wann kommt das Reich Gottes? antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden; 21 man wird auch nicht sagen: Siehe hier! oder: dort ist es! Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch.

Tiefenpsychologische Betrachtung

Die Frage der Pharisäer ist die Frage vieler Menschen: Wann kommt endlich das Reich Gottes? Wann wird die Welt heil, Frieden und Gerechtigkeit spürbar, das Leid ein Ende haben? Diese Frage entspringt einer Haltung, die das Heil nach außen verlegt - in ein zukünftiges Ereignis, einen besonderen Ort, ein spektakuläres Zeichen. Der Mensch schaut hinaus und wartet.

Jesus antwortet jedoch paradox: 'Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden.' Mit anderen Worten: Es wird nicht in äußeren Machtstrukturen, nicht in politischen Programmen und nicht in sichtbaren Inszenierungen erscheinen. Es ist kein Schauspiel, kein Ereignis, das wir beobachten und ankündigen können wie ein Feuerwerk.

Damit richtet Jesus den Blick radikal nach innen. Das Entscheidende geschieht nicht außerhalb des Menschen, sondern in seiner inneren Wirklichkeit. Aus tiefenpsychologischer Perspektive deutet sich hier eine entscheidende Bewegung an: Die Suche nach Sinn, Gerechtigkeit, Frieden und göttlicher Nähe ist nicht zuerst eine äußere Suche, sondern eine innere Wandlung.

Das 'Reich Gottes' entspricht einer inneren Seinsebene - einer Tiefe des Bewusstseins, die jenseits des äußeren Egos liegt. C. G. Jung würde hier vom Selbst sprechen: dem innersten Zentrum der Persönlichkeit, das größer ist als das Ich und das die Transzendenz in uns trägt. Transzendenz ist das, was über das bloß Sichtbare, Messbare oder Alltägliche hinausgeht, das Göttliche. Dieses Reich 'inwendig' zu entdecken, bedeutet, sich dem eigenen Inneren zu stellen:
- dem Unbewussten,
- den verdrängten Anteilen,
- der Sehnsucht nach Ganzheit,
- dem göttlichen Funken, der in jedem Menschen verborgen ist.

Solange der Mensch die göttliche Wirklichkeit nur außen sucht, bleibt er abhängig von äußeren Zeichen, Autoritäten und Inszenierungen. Er wird leicht manipulierbar. Wenn er aber beginnt, innen zu hören, innen zu suchen, innen zu erkennen, öffnet sich der Raum, in dem das Reich Gottes lebendig wird - nicht als Macht, sondern als innere Gegenwart.

Diese innere Gegenwart ist nicht statisch. Sie will ins Leben hineinwirken. Wo ein Mensch in seinem Inneren dem Göttlichen Raum gibt, dort wird er selbst zu einem Ort, an dem das Reich Gottes auf Erden Gestalt annimmt: in Gesten der Liebe, im Mut zur Wahrheit, in einem neuen Blick auf die Welt.

Das Reich Gottes ist nicht etwas, das man 'herbeiführen' kann - es ist etwas, das entdeckt und empfangen werden will. Die innere Wandlung geht der äußeren Veränderung voraus. Wer das Reich Gottes sucht, muss den Blick vom Außen ins Innen wenden.

'Wer nach außen schaut, träumt. Wer nach innen schaut, wacht auf.' (C. G. Jung)

Worte des Lebens für uns

die Frage der Pharisäer ist eine zutiefst menschliche Frage: 'Wann kommt das Reich Gottes?' Wann endlich geschieht das, worauf wir hoffen? Wann kommt Frieden und Gerechtigkeit? Wann hört das Leid auf? Wann wird alles gut?

Wer so fragt, blickt nach außen. Er sucht ein sichtbares Zeichen, ein großes Ereignis, ein eindeutiges Signal. Vielleicht so, wie Menschen heute auf bessere Zeiten hoffen: Wann endlich die Politik sich ändert. Wann die Wirtschaft anspringt. Wann Frieden ausgerufen wird. Wann sich die anderen ändern. Jesus antwortet auf diese Frage überraschend und radikal: 'Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden. Man wird nicht sagen: Siehe hier! oder: dort ist es! Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch.' Damit stellt Jesus die Frage auf den Kopf. Er sagt: Das, wonach ihr sucht, ist nicht dort draußen. Es beginnt in euch.

Jesus verweist uns auf eine Wirklichkeit, die nicht spektakulär ist, nicht laut, nicht politisch inszeniert. Das Reich Gottes ist kein äußerer Machtapparat. Es ist kein sichtbares Königreich mit Grenzen, Fahnen und Palästen. Es ist ein innerer Raum - ein Raum des Friedens, der Gerechtigkeit, der Liebe. Dieses Reich entsteht, wo ein Mensch sich von innen heraus verwandeln lässt. Wo Hass durch Vergebung aufgelöst wird. Wo Angst Vertrauen weicht. Wo der Wille zur Macht dem Mut zur Liebe Platz macht.

Jesus erinnert uns daran: Das Heilige, das wir so oft draußen suchen, ist bereits in uns angelegt. Es ist wie eine verborgene Quelle. Man kann sie nicht sehen, aber wenn man hinhört, kann man sie finden. Viele Menschen suchen ihr Leben lang nach Sinn - und merken nicht, dass dieser Sinn in der Tiefe ihrer eigenen Seele wartet. Das Reich Gottes ist kein ferner Ort. Es ist Gegenwart. Es ist da, wo ein Mensch sein Herz öffnet und Gott Raum gibt.

Wir wünschen uns ein Reich Gottes, das alles um uns verändert. Aber Jesus lädt uns ein zu einer Bewegung, die in uns selbst beginnt. Und genau darin liegt eine große Verheißung: Was innen wächst, hat die Kraft, auch außen Gestalt anzunehmen.
Wenn ein Mensch in sich Frieden findet, wird er anders handeln.
Wenn ein Mensch in sich Liebe entdeckt, wird er sie ausstrahlen.
Wenn ein Mensch innerlich heil wird, verändert sich die Welt um ihn.

Das Reich Gottes ist keine Revolution der Gewalt, sondern eine Revolution des Herzens. Es braucht keine Schlagzeilen. Es beginnt dort:
Wo einer still vergibt.
Wo eine ihren Groll loslässt.
Wo jemand Vertrauen wagt.
Wo einer inmitten von Dunkelheit ein Licht entzündet.