Hunger nach Eins sein

Johannesevangelium 6, 41-51

Jesus, die Juden murrten, weil du ihnen gesagt hast, dass du das Brot bist, das vom Himmel kommt. Was haben wir unter diesem Murren zu verstehen?

Jesus:

Wenn der Verfasser des vierten Evangeliums von 'den Juden' schreibt, so meint er nicht das Volk Israel als Ganzes, sondern in erster Linie die Obrigkeit unserer jüdischen Religion und ihre Anhänger. Sie brachten ihre Auflehnung gegen meine Worte mit brummender Stimme und unfreundlichen Worten zum Ausdruck; denn sie konnten nicht fassen, dass ein einfacher Bauarbeiter aus einem unbedeutenden, kleinen Dorf, noch dazu von niedriger Abstammung ein besonderer Bote Gottes sein könne. Darum wiesen sie mich zurück, weil sie mich nach äußeren, menschlichen und weltlichen Maßstäben beurteilten.

Jesus, was sagst du uns damit, dass niemand zu dir kommen kann, wenn dein Abba-Gott ihn nicht zieht?

Jesus:

'Zu mir kommen' bedeutet so viel wie 'im Glauben zu mir kommen', 'an mich glauben', 'auf mich vertrauen'. Glauben und Vertrauen entspringt nicht menschlicher Leistung, sondern ist reines Geschenk meines Abba-Gottes. Bevor jemand sein Herz für dieses Geschenk öffnet, hat ihn mein Abba-Gott schon immer an mich gezogen.
Voraussetzung des einzelnen Menschen ist seine Aufgeschlossenheit und Unvoreingenommenheit für das Geschenk des Glaubens und Vertrauens.
Dieses Sich Öffnen ist erlernbar.

Jesus, du sagst uns: Wer das Brot isst, das du selber bist, wird nicht sterben, sondern in Ewigkeit leben. Was bedeuten diese Worte?

Jesus:

Ewig ist hier nicht als Zeit-, sondern als Qualitätsbegriff zu verstehen und bedeutet so viel wie ganz, ganz voll, vollkommen, kein Mangel, heil.
Wer mich und meine Worte in sein Herz aufnimmt, erfährt sein Leben ganz, ganz erfüllt, durch und durch heil. Da besteht kein Lebenshunger mehr. Da ist die Sehnsucht nach erfülltem Leben gestillt.

Jesus, das Brot, das du gibst, ist dein Fleisch. Du gibst es hin für das Leben der Welt. Was heißt hier Fleisch?

Jesus:

Fleisch hat bildhafte, übertragene Bedeutung. Es steht für Leben, es steht für die ganze Person mit allem, was zu ihr gehört.
Unter dem Brot, das ich gebe und das mein Fleisch ist, verstehe ich mich als ganzer und mein Leben mit allen Fasern. Ich gebe mich selbst und alles, was ich bin und zu geben habe.
Wenn Menschen mich bewusst in ihr Herz aufnehmen, können sie die Erfahrung machen, dass ich mich ihnen immer schon - von allem Anfang an, vom Ursprung her - geschenkt habe, ganz und gar und ungeteilt. Immer schon bin ich ganz in ihnen, ganz eins mit ihnen, lebe innigst verbunden mit ihnen, bin mit ihnen ein Herz und eine Seele. Immer schon.
So stille ich eine Ursehnsucht in den Menschen. In ihnen lebt der Hunger nach Eins sein, nach Eins sein mit Gott, Eins Sein mit sich selbst, Eins Sein mit der Schöpfung, mit Erde und Himmel, mit Menschen, Tieren und Pflanzen, mit Sonne und Wasser, mit den Steinen und mit allem, durch das die Liebe des Schöpfers hindurch strahlt. Diesen Zustand nennen wir Paradies.
Wenn Menschen tief genug in sich hineinhorchen, können sie diesen Hunger, diese Sehnsucht spüren.
Den Schmerz der Getrenntheit spüren sie nur, weil sie ihren Ursprung vergessen haben und daher so tun, denken und handeln, als wären sie vom Schöpfer und der übrigen Schöpfung abgetrennt.

Danke, Jesus. Wir loben und preisen dich.