Götze Geld, Geschäft, Gewinn
Text: Lukasevangelium 19, 45–48 - Übersetzung: Elberfelder Bibel
45 Und als er in den Tempel eingetreten war, fing er an, die Verkäufer hinauszutreiben, 46 und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben: 'Mein Haus ist ein Bethaus'; ihr aber habt es zu einer 'Räuberhöhle' gemacht. 47 Und er lehrte täglich im Tempel; die Hohen Priester aber und die Schriftgelehrten und die Ersten des Volkes suchten ihn umzubringen. 48 Und sie fanden nicht, was sie tun sollten, denn das ganze Volk hing ihm an und hörte auf ihn.
Worte des Lebens für uns
Proskynese vor dem Geld. Anbetung des Geschäftes. Lobpreis auf den Gewinn. Religion des Marktes. Götze materieller Wohlstand, von dem alles Glück dieser Erde und totale Lebenserfüllung versprochen und erwartet werden, von dem sie aber nicht zu erwarten sind. Verherrlichung des Wirtschaftsstandortes und Wirtschaftswachstums, auf deren Altären vieles geopfert wird. Die Konsequenzen: Klima- und Umweltzerstörung und alle damit einhergehenden katastrophalen Folgen, Bödenversiegelung, soziale Ungerechtigkeit, Fallen in Armut und Not, zunehmende Entsolidarisierung der Gesellschaften, menschenverachtende Einstellungen, verschärfte Verteilungskämpfe, unmenschlicher Leistungsdruck bis zur Ausbeutung, brutale Missachtung des Tierwohls, Hetzen und Rennen bis zum Burnout und Herzinfarkt, körperliche und seelische Krankheiten, krankhafte Selbstbezogenheit, Verlust von beglückenden zwischenmenschlichen Beziehungen.
Einen hochinteressanten Beitrag zur Religion des Marktes fanden wir auf der Website des Gymnasiums Hartberg: RELIGION DES MARKTES. (Wenn der Link nicht öffnet, gib in die Suchmaschine ein: Gymnasium Hartberg RELIGION DES MARKTES).
Der Tempel in Jerusalem war zur Zeit Jesu nicht nur ein religiöses Zentrum und ein bewundernswertes Bauwerk, sondern auch ein riesiges Wirtschaftsunternehmen, heute würden wir sagen: ein bedeutender Wirtschaftsstandort.
Heerscharen von Menschen waren hier beschäftigt und erwarben ihren Lebensunterhalt:
- Die Geldwechsler: Im Tempel durfte nur mit jüdischem Geld gekauft und verkauft werden. Römisches Geld musste vorher umgewechselt werden. Zu den Feiertagen kamen viele PilgerInnen nach Jerusalem und besuchten den Tempel. Sie mussten Geld tauschen, um je nach finanzieller Möglichkeit ein Opfertier zu erwerben.
- Die Händler: Bei ihnen konnten die Opfertiere erworben werden.
- Die Priester: Sie waren für die rituellen Kulthandlungen zuständig.
- Die Eintreiber der Tempelsteuer: Jeder männliche Israelit über zwanzig Jahren musste sie jährlich entrichten.
- Die Tempelbehörde
- Die Tempelverwaltung
- Die Tempelwache und weiteres Aufsichtspersonal
Viele Geldgeschäfte wurden im Tempel abgewickelt. Die Wallfahrten zu den großen Festen des Jahres waren für den Tempel einträgliche Geschäfte, an denen viele verdienten und Profit machten. Der Tempel war ein Ort des Geldes, des Geschäftemachens, des Gewinns und der Macht, auch eine Stätte der Ausbeutung und Bestechung von Pilgerinnen und Pilgern.
In Jesus von Nazareth rief der Götze Geld, Geschäft, Gewinn im Tempel von Jerusalem Gefühle von Zorn und Wut hervor, weil Götzendienst mit Gottesdienst nicht im Geringsten zu tun hat. Außerdem lehnte er den Opferkult radikal ab, weil er überzeugt war, dass Gott keine Opfer will und braucht. Jesus brachte seine Gefühle zum Ausdruck energisch und deutlich, aber nicht gewaltsam, weder mit gewaltsamen Worten noch mit gewaltsamen Handlungen. Gewaltfreie Kommunikation ist erlernbar. Jesus hat sie gelernt und gelebt. Dass er sich mit der sogenannten 'Tempelreinigung' im Tempel von Jerusalem keine Freunde schuf, ist wohl klar.
Religionen beginnen als Mystik und Spiritualität. Früher oder später werden sie dann Institutionen. Dann laufen sie Gefahr, dem Götzen Geld und Macht zu erliegen. Jesus würde die Religionen unserer Zeit genauso reinigen wie damals die jüdische Religion im Tempel von Jerusalem. Er hätte viel zu tun, meinen wir.