
Klicke auf das Bild, um es zu vergrößern!
Text: Johannesevangelium 8, 1–11 - Übersetzung: Elberfelder Bibel
1 Jesus aber ging nach dem Ölberg. 2 Frühmorgens aber kam er wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm; und er setzte sich und lehrte sie. 3 Die Schriftgelehrten und die Pharisäer aber bringen eine Frau, die beim Ehebruch ergriffen worden war, und stellen sie in die Mitte 4 und sagen zu ihm: Lehrer, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. 5 In dem Gesetz aber hat uns Mose geboten, solche zu steinigen. Du nun, was sagst du? 6 Dies aber sagten sie, ihn zu versuchen, damit sie etwas hätten, um ihn anzuklagen. Jesus aber bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde. 7 Als sie aber fortfuhren, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. 8 Und wieder bückte er sich nieder und schrieb auf die Erde. 9 Als sie aber (dies) hörten, gingen sie, einer nach dem anderen, hinaus, angefangen von den Älteren; und er wurde allein gelassen mit der Frau, die in der Mitte stand. 10 Jesus aber richtete sich auf und sprach zu ihr: Frau, wo sind sie? Hat niemand dich verurteilt? 11 Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh hin und sündige von jetzt an nicht mehr!
Gespräch zwischen Jesus und der Frau
Nachdem der Mob verstummt ist und das Weite gesucht hat, spricht Jesus noch eine Weile mit der Frau. Wir nennen sie Anna.
(Anna zusammengesunken, atmet schwer. Jesus blickt sie ruhig an.)
Anna: (flüstert, noch außer Atem) Ich dachte, es wäre aus. Sie ... sie wollten mich steinigen. Ich habe die Steine schon gespürt, auch ihren Hass.
Jesus: (sanft, mit ruhiger Stimme) Schau dich um. Wo sind sie? Hat dich einer von ihnen verurteilt?
(Anna schaut vorsichtig um sich, sieht niemanden außer Jesus, die Steine liegen noch da.)
Anna: (ungläubig, leise) Niemand. Sie sind weg. Alle. Deine Worte haben sie entwaffnet ... Ich weiß nicht, wie du das geschafft hast.
Jesus: (beugt sich näher zu ihr) Ich verurteile dich auch nicht. Ich will dich nicht klein machen. Ich will, dass du leben kannst.
Anna: (verzweifelt, legt die Hand aufs Herz) Aber ... ich habe Fehler gemacht. Dinge, die nicht gut waren. Ich habe Schuld. Ich schäme mich.
Jesus: (nickt verstehend, ernst, aber liebevoll) Ja, du hast Fehler gemacht - wie jeder Mensch. Aber Schuldgefühle sollen dich nicht zerdrücken. Gott will nicht, dass du unter Steinen begraben wirst. Er sieht dich frei.
Anna: (hebt zaghaft den Blick) Frei ... ? Aber was, wenn ich wieder in alte Muster zurückfalle? Ich habe Angst, dass ich's nicht schaffe.
Jesus: (legt ihr sanft die Hand auf die Schulter) Du musst es nicht allein schaffen. Gott geht mit dir. Wenn du fällst, steh wieder auf. Seine Gnade trägt dich.
(Anna atmet tief durch. Ihre Haltung richtet sich langsam auf. Ihr Gesicht zeigt erste Spuren von Hoffnung.)
Anna: (mit Tränen in den Augen, aber lächelnd) Es fühlt sich an, als ob mir jemand eine Last von den Schultern genommen hätte. Zum ersten Mal seit Jahren kann ich wieder richtig aufatmen.
Anna: (blickt auf die Steine am Boden) Eines geht mir ständig durch den Kopf, Jesus. Warum eigentlich nur ich? Ich war nicht allein. Aber sie haben nur mich gezerrt, nur mich beschimpft, nur mich vor dich hingestellt.
Jesus: (ernst, aber sanft) Ja, Anna. Ich habe es gesehen. Die Männer, die dich hierher brachten, haben nur dich verurteilt. Sie haben den anderen nicht erwähnt, nicht gesucht, nicht angeklagt.
Anna: (bitter) Es ist immer so. Die Schuld wird auf die Frau gelegt. Der Mann geht davon - frei, unberührt. Und wir Frauen tragen die Schande, den Hohn, die Strafe.
Jesus: (schweigt kurz, dann mit Nachdruck) Das ist nicht Gottes Gerechtigkeit, sondern Menschenungerechtigkeit. Gott misst nicht mit zweierlei Maß.
Anna: (schüttelt den Kopf) Aber sie reden immer von Gottes Gesetz. Sie tun so, als wäre es sein Wille, uns Frauen härter zu richten.
Jesus: (blickt ihr fest in die Augen) Anna, höre mich: Wer so spricht, missbraucht Gottes Namen, um Macht auszuüben. Gottes Herz ist anders. Er sieht den Menschen - jeden Menschen. Er kennt Wahrheit ... und er kennt Barmherzigkeit.
Anna: (leise) Aber was soll ich tun? Ich lebe in einer Welt, in der Frauen kaum eine Stimme haben.
Jesus: (legt ihr eine Hand auf die Schulter) Sei dir bewusst: Vor Gott bist du nicht geringer, nicht kleiner als ein Mann. Gott sieht dich als sein Ebenbild, als Würdige. Die Stimme, die dir abgesprochen wird, schenkt dir Gott.
Anna: (Tränen laufen, sie atmet tief) Zum ersten Mal fühlt sich jemand auf meiner Seite an. Nicht gegen mich, sondern mit mir.
Jesus: (nickt) Anna, lass dich nicht von der Ungerechtigkeit dieser Welt definieren. Geh in Freiheit - und wisse: Gott steht zu dir.