Gelebte Liturgie

Johannesevangelium 13, 1–15

Die Verfasser des Matthäus-, Markus- und Lukasevangeliums erzählen ausführlich von jenem Mahl, das Jesus am Abend vor seinem Leiden und Sterben gemeinsam mit seinen Schülern eingenommen hat. Der Verfasser des vierten Evangeliums aber verliert darüber nur einen einzigen Satz. Kurz und knapp schreibt er: „Es fand ein Mahl statt.” Dann wendet er sich sogleich der Fußwaschung zu, die Jesus an seinen Schülern vorgenommen hat. Wortreich und bis in Einzelheiten erzählt er davon.

Was bringt der vierte Evangelist damit zum Ausdruck, dass er das eucharistische Mahl - die Feier des Brotbrechens und Brotteilens - so eng mit der Fußwaschung in Verbindung setzt? Was will er seine Leser damit lehren?

Wir lernen daraus, dass liturgisches Tun, Gottesdienst feiern, Riten und Rituale vollziehen nicht für sich allein stehen darf, sondern immer in Zusammenhang zu stellen ist mit dem alltäglichen Leben. Liturgische und rituelle Vollzüge und religiöser Kult für sich allein sind starr und leblos. Sie werden erst lebendig, wenn sich das in der liturgischen Feier und im rituellen Handeln Vollzogene im Alltag des Lebens widerspiegelt. Mit anderen Worten: Glaube und Leben sind untrennbar miteinander verbunden. Liturgie ohne im Alltag gelebte Liturgie und Glaube ohne im Alltag gelebter Glaube sind tot.

Der Ausdruck „Messe” kommt vom lateinischen „missa” und bedeutet Sendung. Messe ist eine Sendungs-, eine Beauftragungsfeier. Die Messe hat früher geendet mit den Worten „Ite, missa est!” Das heißt übersetzt: „Geht, Aussendung ist!” Das, was wir im Evangelium gehört haben, und das Brot teilen, das wir in der Liturgie gefeiert haben, gilt es, jetzt im Leben in Form des Lebens miteinander teilen umzusetzen.

Von Johannes von Antiochia, der im 4. Jahrhundert nach Christus gelebt hat, der als einer der ganz großen christlichen Prediger gilt, und dem deshalb später der Beiname Chrysostomus (= Goldmund) gegeben wurde, stammen die Worte: „Willst du den Leib Christi ehren? Verachte ihn nicht, wenn er nackt ist. Ehre ihn nicht in der Kirche mit Stoffen aus Seide, während du ihn draußen frieren und unbekleidet lässt. Denn der, der gesagt hat: Das ist mein Leib, und der es, indem er es sagte, tatsächlich getan hat, hat auch gesagt: Ihr habt mich hungrig gesehen und habt mir nichts zu essen gegeben; und auch: jedes Mal, wenn ihr es nicht den Geringen getan habt, habt ihr es auch mir nicht getan. Hier braucht der Leib Christi keine Kleider, sondern offene Seelen; dort bedarf er hingebungsvoller Fürsorge. Was nützt es, wenn der Tisch Christi mit goldenen Vasen überladen ist, während er selbst verhungert? Gib zunächst den Hungernden und mit dem, was übrig bleibt, schmücke seinen Altar. Du machst einen goldenen Kelch, aber du gibst nicht mal ein Glas Wasser? Und wozu wird der Tisch Christi mit goldenen Tüchern bedeckt, wenn du ihm die benötigte Decke verweigerst?”

Die Fußwaschung war im Altertum die Aufgabe der Diener und Sklaven. Bei der Fußwaschung macht sich Jesus klein und beugt sich hinab. Er erniedrigt sich und stellt sich auf die Stufe der Diener. Danach sagt er zu seinen Schülern: Ich habe euch ein Lehrbeispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.

Das lernen wir von Jesus: sich klein machen, sich hinab beugen, sich hingeben und für andere da sein.