Ein religiöser Hardliner berichtet
Text: Lukasevangelium 20, 1–8 - Übersetzung: Elberfelder Bibel
1 Und es geschah an einem der Tage, als er das Volk im Tempel lehrte und (die) gute Botschaft verkündigte, da traten die Hohen Priester und die Schriftgelehrten mit den Ältesten herbei 2 und sprachen zu ihm und sagten: Sage uns, in welcher Vollmacht tust du diese Dinge? Oder wer ist es, der dir diese Vollmacht gegeben hat? 3 Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Auch ich will euch ein Wort fragen; und sagt mir: 4 War die Taufe des Johannes vom Himmel oder von Menschen? 5 Sie aber überlegten miteinander und sprachen: Wenn wir sagen: vom Himmel, so wird er sagen: Warum habt ihr ihm nicht geglaubt? 6 Wenn wir aber sagen: von Menschen, so wird das ganze Volk uns steinigen, denn es ist überzeugt, dass Johannes ein Prophet ist. 7 Und sie antworteten, sie wüssten nicht, woher. 8 Und Jesus sprach zu ihnen: So sage auch ich euch nicht, in welcher Vollmacht ich dies tue.
Texterläuterung
Viele Stellen in den Evangelien erzählen von den scharfen und erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Jesus und seiner Gegnerschaft - auch der obige Text.
Das Lukasevangelium schildert in folgenden Stellen von diesen Kontroversen:
Lukas 5, 21: Und die Schriftgelehrten und die Pharisäer fingen an zu überlegen und sagten: Wer ist dieser, der (solche) (Gottes-)Lästerungen redet? Wer kann Sünden vergeben außer Gott allein?
Lukas 5, 30: Und die Phariser und ihre Schriftgelehrten murrten gegen seine (= Jesu) Jünger und sprachen: Warum esst und trinkt ihr mit den Zöllnern und Sündern?
Lukas 5, 33: Sie (= die Pharisäer und Schriftgelehrten) aber sprachen zu ihm: Die Jünger des Johannes fasten oft und verrichten Gebete, ebenso auch die der Pharisäer; die deinen aber essen und trinken!
Lukas 6, 2: Einige Pharisäer aber sprachen zu ihnen: Warum tut ihr, was am Sabbat nicht zu tun erlaubt ist?
Lukas 6, 7: Die Schriftgelehrten und die Pharisäer aber lauerten darauf, ob er am Sabbat heilen würde, damit sie eine Beschuldigung gegen ihn fanden
Lukas 7, 39: Als aber der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, sprach er bei sich selbst und sagte: Wenn dieser ein Prophet wäre, so würde er erkennen, wer und was für eine Frau (das ist), die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin.
Lukas 11, 37-39: Als er aber redete, bat ihn ein Pharisäer, dass er bei ihm zu Mittag essen möchte; er ging aber hinein und legte sich zu Tisch. Als aber der Pharisäer es sah, wunderte er sich, dass er sich nicht erst vor dem Essen gewaschen hatte. Der Herr aber sprach zu ihm: Nun, ihr Pharisäer, ihr reinigt das Äußere des Bechers und der Schale, euer Inneres aber ist voller Raub und Bosheit.
Lukas 11, 42- 48: Aber wehe euch Pharisäern! Denn ihr verzehntet die Minze und die Raute und alles Kraut und übergeht das Gericht und die Liebe Gottes; diese Dinge hättet ihr tun und jene nicht lassen sollen. Wehe euch Pharisäern! Denn ihr liebt den ersten Sitz in den Synagogen und die Begrüßungen auf den Märkten. Wehe euch! Denn ihr seid wie die Grüfte, die verborgen sind, und die Menschen, die darüber hingehen, wissen es nicht. Aber einer der Gesetzesgelehrten antwortete und spricht zu ihm: Lehrer, indem du dies sagst, schmähst du auch uns. Er aber sprach: Auch euch Gesetzesgelehrten: Wehe! Denn ihr belastet die Menschen mit schwer zu tragenden Lasten, und selbst rührt ihr die Lasten nicht mit einem eurer Finger an. Wehe euch! Denn ihr baut die Grabmäler der Propheten, eure Väter aber haben sie getötet. So seid ihr Zeugen und stimmt den Werken eurer Väter bei; denn sie haben sie getötet, ihr aber baut ihre Grabmäler.
Lukas 11, 52-54: Wehe euch Gesetzesgelehrten! Denn ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis weggenommen; ihr selbst seid nicht hineingegangen, und die hineingehen wollten, habt ihr gehindert. Als er von dort hinausgegangen war, fingen die Schriftgelehrten und die Pharisäer an, hart auf ihn einzudringen und ihn über vieles auszufragen; und sie lauerten auf ihn, etwas aus seinem Mund zu erjagen.
Lukas 12, 1: Als sich unterdessen viele Tausende der Volksmenge versammelt hatten, sodass sie einander traten, fing er an, zuerst zu seinen Jüngern zu sagen: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, das heißt vor der Heuchelei.
Lukas 13, 14-15: Der Synagogenvorsteher aber, unwillig, dass Jesus am Sabbat heilte, begann und sprach zu der Volksmenge: Sechs Tage sind es, an denen man arbeiten soll. An diesen nun kommt und lasst euch heilen und nicht am Tag des Sabbats! Der Herr nun antwortete ihm und sprach: Heuchler! Bindet nicht jeder von euch am Sabbat seinen Ochsen oder Esel von der Krippe los und führt ihn hin und tränkt ihn?
Lukas 14, 1-6: Und es geschah, als er am Sabbat in das Haus eines der Obersten der Pharisäer kam, zu essen, dass sie auf ihn lauerten. Und siehe, ein wassersüchtiger Mensch war vor ihm. Und Jesus begann und sprach zu den Gesetzesgelehrten und Pharisäern und sagte: Ist es erlaubt, am Sabbat zu heilen oder nicht? Sie aber schwiegen. Und er fasste ihn an und heilte ihn und entließ ihn. Und er sprach zu ihnen: Wer unter euch, dessen Sohn oder Ochse in einen Brunnen fällt, zieht ihn nicht sogleich heraus am Tag des Sabbats? Und sie konnten ihm darauf nicht antworten.
Lukas 15, 1-2: Es nahten sich aber zu ihm alle Zöllner und Sünder, ihn zu hören und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen.
Lukas 18, 9-14: Jesu Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner im Tempel
Lukas 19, 39 -40: Und einige der Pharisäer aus der Volksmenge sprachen zu ihm: Lehrer, weise deine Jünger zurecht! Und er antwortete und sprach zu ihnen: Ich sage euch, wenn diese schweigen, so werden die Steine schreien.
Lukas 19, 47: Und er lehrte täglich im Tempel; die Hohen Priester aber und die Schriftgelehrten und die Ersten des Volkes suchten ihn umzubringen.
Lukas 20, 20-26: Die Frage nach der Steuer
20 Und sie beobachteten (ihn) und sandten Auflauerer aus, die sich stellten, als ob sie Gerechte wären, damit sie ihn bei einem Wort fassten,
sodass sie ihn der Obrigkeit und der Macht des Statthalters überliefern könnten.
Lukas 20, 45 -47: Während aber das ganze Volk zuhörte, sprach er zu seinen Jüngern: Hütet euch vor den Schriftgelehrten, die in langen Gewändern einhergehen wollen und die Begrüßungen auf den Märkten lieben und die ersten Sitze in den Synagogen und die ersten Plätze bei den Gastmählern; die die Häuser der Witwen verschlingen und zum Schein lange Gebete halten! Diese werden ein schwereres Gericht empfangen.?
Lukas 22, 1-2: Es nahte aber das Fest der ungesäuerten Brote, das Passah genannt wird. Und die Hohen Priester und die Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn heimlich umbringen könnten, denn sie fürchteten das Volk.
Lukas 22, 63-71: Vor dem Hohen Rat
Lukas 23, 1-25: Anklage vor Pilatus und Herodes
Ein religiöser Hardliner berichtet
Manche bezeichnen mich als religiösen Hardliner, weil ich mich selbst konsequent an die Einhaltung der vielen mosaischen Gesetze halte und ihre Befolgung auch bei anderen äußerst gründlich kontrolliere und sie von ihnen höchst sorgfältig einfordere. Ich und meine Gleichgesinnten hüten das heilige Gesetz und die heiligen Traditionen wie unseren Augapfel.
Als Jesus seine öffentliche Gottesverkündigung begann, wurden wir rasch aufmerksam, dass er unsere göttliche Tradition und die Gesetze Gottes auf gröblichste Weise verletzt. Wir beobachteten, dass Jesus sich nicht an die Sabbatgebote hält, die Reinheitsvorschriften missachtet, Unreine berührt und sich von ihnen berühren lässt oder sich mit öffentlichen Sündern wie Zolleinhebern und Dirnen an den Tisch setzt und mit ihnen gemeinsam isst.
Da traten wir sofort auf den Plan. Wir behielten ihn ständig im Auge, bespitzelten ihn, lauerten ihm auf. Wir stellten ihm Fallen und Fangfragen, um ihn beim Volk unglaubwürdig zu machen oder beim Hohen Rat, bei König Herodes oder dem römischen Statthalter Pilatus anklagen zu können. Vor allem beschuldigten wir ihn der Gotteslästerung, weil er Sünden vergibt und sich damit an Gottes Stelle setzt.
Unsere jüdischen Theologen verkündeten Gott als streng richtenden, verurteilenden und strafenden Gesetzesgott. Dieser Jesus aber sprach zu den Menschen von einem mütterlich und väterlich ewig Liebenden und Gütigen, von einem Menschenfreundlichen, Barmherzigen und einem immer Vergebenden. Auf allen Ebenen kamen wir mit Jesus übers Kreuz. Anfangs versuchten wir ihn zum Einlenken zu bewegen, aber er blieb stur. Darum blieb uns nichts anderes übrig, als unser auserwähltes Volk Gottes von diesem Gesetzesbrecher und religiösen Verführer zu schützen und zu befreien. Jesus muss weg, das war uns klar. Zuletzt blieb uns nichts anderes übrig als die Todesstrafe für Jesus zu verlangen. Wir verklagten ihn schlußendlich beim Statthalter Pilatus, dass er das Volk gegen den römischen Kaiser aufwiegle. Pilatus sprach das Todesurteil über Jesus und ließ ihn nach römischer Hinrichtungsart kreuzigen.
Als Jesus starb, waren wir erleichtert und waren gewiss dem Gott Israels einen großen Dienst erwiesen zu haben. Hochgelobt sei unser Gott, der Gesetzesbrecher nicht verschont und alle Abtrünnigen verdammt! Mit hohem Lob bedacht seien unsere religiösen Gesetze des Moses und unsere unantastbaren religiösen Traditionen! Verflucht sei, wer am Kreuze hängt!