Die Macht des Gottvertrauens
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Die Macht des Gottvertrauens

Text: Lukasevangelium 17, 5–6 - Übersetzung: Gute Nachricht Bibel

5 Die Apostel sagten zum Herrn: 'Stärke doch unser Vertrauen zu Gott!' 6 Der Herr antwortete: 'Wenn euer Vertrauen auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, dann könntet ihr zu dem Maulbeerbaum dort sagen:Zieh deine Wurzeln aus der Erde und verpflanze dich ins Meer!', und er würde euch gehorchen.'

Tiefenpsychologische Betrachtung

1. Der Ruf nach mehr - und das Missverständnis dahinter

Die Bitte der Jünger - 'Stärke unseren Glauben!' - klingt zunächst demütig und richtig. Und doch legt Jesus einen Finger auf ein tiefes Missverständnis: Sie denken, Glaube sei eine Quantität, eine Größe, die wachsen müsse wie ein Muskel oder sich vermehren könne wie Besitz. Tiefenpsychologisch spiegelt sich darin eine Haltung, die viele Menschen kennen: die innere Stimme, die sagt: 'Ich bin nicht genug. Ich brauche mehr Vertrauen, mehr Kraft, mehr Sicherheit, mehr Gewissheit.' Jesus antwortet auf diese Haltung paradox: Nicht mehr ist nötig, sondern ein anderes Verstehen dessen, was Glaube ist. Schon 'wie ein Senfkorn' - winzig klein und unscheinbar - genügt, wenn es echt ist. Damit verschiebt sich der Fokus von quantitativem Mehr zu qualitativem Sein: Glaube ist nicht etwas, das anzuhäufen ist, sondern etwas, das zu leben ist.

2. Glaube als Archetyp der inneren Lebenskraft

In tiefenpsychologischer Sprache können wir Glaube als eine archetypische Energie verstehen, die im Unbewussten jedes Menschen angelegt ist: die Kraft des Lebens selbst, die Vertrauen in den Prozess des Werdens hat. Sie ist nicht erlernbar wie Wissen und nicht machbar wie eine Leistung. Sie ist ein inneres Vertrauen, dass das Leben selbst trägt - auch dort, wo der Verstand keine Sicherheit bieten kann. Das Senfkorn ist ein Symbol für dieses Potential: klein, unscheinbar, aber voller Leben. In ihm liegt die ganze Kraft eines großen Baumes verborgen. Tiefenpsychologisch bedeutet das: Der Glaube ist nicht außerhalb von uns zu suchen. Er ist bereits in uns angelegt, wie ein Same, der nur Raum, Licht und Vertrauen braucht, um zu wachsen.

3. Der Maulbeerbaum - Symbol tief verwurzelter Muster

Wenn Jesus vom Maulbeerbaum spricht, der sich auf ein Wort hin entwurzeln und ins Meer pflanzen lässt, dann meint er mehr als ein Wunder. Tiefenpsychologisch steht dieser Baum für die tief sitzenden Strukturen der Seele - Gewohnheiten, Überzeugungen, Ängste und Schattenanteile, die fest verankert sind. Sie scheinen unverrückbar, bestimmen unser Denken, Fühlen und Handeln. Dass sich ein solcher Baum 'entwurzeln' lässt, wenn Glaube da ist, bedeutet: Vertrauen in die innere Wandlungskraft kann selbst tief verankerte Muster lösen. Der Glaube ist jene innere Dynamik, die Wandlung möglich macht - nicht durch äußeren Zwang, sondern durch innere Zustimmung. Das Meer, in das sich der Baum pflanzt, ist ein uraltes Symbol für das Unbewusste. Es meint: Was im Bewusstsein festgefahren scheint, kann sich im Unbewussten verwandeln. Der Glaube ist die Brücke, die das ermöglicht.

4. Glaube als schöpferisches Prinzip

C.G. Jung spricht davon, dass 'das, woran wir glauben, in uns Realität wird'. Glaube ist nicht bloß eine Meinung oder ein Für-wahr-Halten, sondern eine schöpferische Kraft. Er verwandelt Perspektiven, erweitert Horizonte und schafft Wirklichkeit. Darum sagt Jesus: Selbst kleinster Glaube kann Ungeheures bewegen. Er sprengt die Grenzen des rational Möglichen, weil er aus einer tieferen Wirklichkeit schöpft - jener Schicht der Seele, die mit dem Ursprung selbst verbunden ist.

5. Der innere Weg . vom Zweifel zum Vertrauen

Die Bitte der Jünger zeigt eine tiefe Wahrheit: Der Weg des Glaubens führt durch den Zweifel. Zweifel ist nicht das Gegenteil von Glaube, sondern sein Geburtsort. Erst wenn der Mensch die eigenen Begrenzungen spürt, kann er sich öffnen für eine Kraft, die größer ist als er selbst. Tiefenpsychologisch ist dieser Prozess ein Weg vom Ich-Willen zum Vertrauen ins Selbst (im jungianischen Sinne: ins göttliche Zentrum im Menschen). Nicht das Ich 'macht' Glauben - es lässt ihn geschehen. Es öffnet sich, wie die Erde sich öffnet, damit der Same keimen kann.

Lukas 17,5-6 spricht in der Tiefe von einer Wandlung der inneren Haltung: weg vom 'Ich brauche mehr' hin zu 'Das Wesentliche ist schon da'; weg von der Fixierung auf die Größe hin zur Entfaltung des Lebendigen; weg von der Kontrolle hin zum Vertrauen in eine schöpferische Wirklichkeit, die in uns wirkt.

Gottes Wort ist für uns wie Licht in der Nacht

Die Bitte der Jünger klingt vertraut. 'Stärke unseren Glauben!' - wer von uns hat sie nicht schon einmal ausgesprochen, still oder laut? Wenn der Boden unter den Füßen wankt. Wenn Sorgen schwerer sind als Zuversicht. Wenn Zweifel lauter schreien als Vertrauen. Dann wünschen wir uns einen stärkeren Glauben. Mehr Kraft. Mehr Sicherheit. Mehr Gewissheit. Doch Jesus antwortet überraschend. Er sagt nicht: 'Gut, ich werde euren Glauben stärken.' Er sagt: 'Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn ...' - als wollte er sagen: Ihr denkt in die falsche Richtung. Es geht nicht um 'mehr'. Es geht um etwas ganz anderes.

Die Jünger glauben, Glaube sei eine Art Muskel: je größer, desto stärker. Jesus aber zeigt ihnen ein anderes Bild: das Senfkorn. Winzig klein, leicht zu übersehen - und doch voll Leben, voll Kraft. Es ist nicht seine Größe, die zählt, sondern seine Lebenskraft. Jesus sagt: Schon der kleinste Funke Vertrauen genügt, wenn er echt ist. Schon der Hauch eines 'Ja' zum Leben kann Berge versetzen und Bäume entwurzeln. Glaube ist keine Leistung, die wir uns erarbeiten. Er ist keine Menge, die wir anhäufen. Glaube ist eine Haltung. Ein inneres Vertrauen. Eine Öffnung. Darum ist das Entscheidende nicht, ob wir viel glauben können. Sondern ob wir überhaupt vertrauen - und sei es noch so zaghaft.

Warum spricht Jesus ausgerechnet vom Maulbeerbaum? Weil er bekannt dafür ist, extrem tiefe und starke Wurzeln zu haben. Er steht für all das, was in unserem Leben fest verankert scheint: alte Muster, Ängste, Verletzungen, eingefahrene Wege, scheinbar unverrückbare Realitäten. Und Jesus sagt: Selbst so etwas kann sich lösen. Selbst das, was dich seit Jahren bindet, kann sich bewegen. Nicht, weil du stark bist. Sondern weil der Glaube . selbst so klein wie ein Senfkorn - eine Kraft in dir freisetzt, die größer ist als du selbst. Glaube kann festgefahrene Gedanken entwurzeln. Er kann hart gewordene Herzen weich machen. Er kann das Alte lösen und Neues wachsen lassen - dort, wo du es nicht für möglich hältst.

Viele Menschen denken: Ich muss nur stärker glauben, mich mehr bemühen, intensiver beten - dann wird mein Glaube wachsen. Aber Jesus sagt: Es geht nicht um dein 'Mehr'. Es geht um dein 'Lass'. Das Senfkorn wächst nicht, weil es sich anstrengt, sondern weil es sich dem Boden, dem Licht, dem Wasser öffnet. So ist es auch mit dem Glauben. Er wächst dort, wo wir uns öffnen - für Gott, für das Leben, für das, was größer ist als unser eigenes Denken. Manchmal reicht ein einziger Satz: 'Ich vertraue.' Manchmal ein einziger Atemzug: 'Ich lasse los.' Manchmal ein einziger Schritt: 'Ich wage es.'

Vielleicht sagst du: 'Aber mein Glaube ist so schwach. Er ist voller Zweifel.' - Auch das wussten die Jünger. Und doch hat Jesus sie nicht verurteilt. Er hat ihnen gezeigt: Zweifel und Glaube schließen sich nicht aus. Sie gehören zusammen wie Nacht und Tag. Ohne Zweifel kein echtes Vertrauen. Ohne Dunkelheit kein Licht. Das Senfkorn weiß nichts von seiner Größe. Es weiß nur, dass es wächst. So darf auch dein kleiner Glaube sein: nicht perfekt, nicht vollkommen - aber lebendig.

Vielleicht wartest du darauf, dass dir einmal 'großer Glaube' geschenkt wird. Vielleicht wartest du auf einen Moment der absoluten Gewissheit. Vielleicht hoffst du, irgendwann stark genug zu sein. Jesus sagt: Du hast ihn längst. Der Same liegt schon in dir. Er ist klein, vielleicht kaum zu spüren. Aber er ist da. Und er trägt in sich alles, was es braucht, um dein Leben zu verwandeln. Es geht nicht darum, etwas Neues zu bekommen. Es geht darum, das zu entfalten, was längst in dir lebt. Und wenn du diesem kleinen Funken Raum gibst, kann er Dinge bewegen, die du nie für möglich gehalten hast.

'Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn ...' - Jesus meint: Habt keine Angst vor der Kleinheit eures Glaubens. Für Gott zählt nicht die Größe, sondern die Echtheit. Er wirkt nicht durch deine Glaubensstärke, sondern durch dein Vertrauen. Darum brauchst du nicht warten, bis dein Glaube groß ist. Fang jetzt an, mit dem, was da ist. Es ist genug.

Kindliches Urvertrauen
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'Ich bleibe bei dir' - Kindliches Urvertrauen und die Kraft der Nähe in der Stunde der Angst

In einem Krankenhaus lag ein kleiner Bub, der operiert werden musste. Sein Vater hatte ihn ins Krankenhaus gebracht und suchte seinem Kind Mut zu machen und seine Angst zu lindern. 'Papa', sagte der kleine Bub, 'ich habe gar keine Angst, wenn du bei mir bist.' Da sagte der Vater: 'Ich bleibe bei dir.' Der Arzt erlaubte es. Der Vater setzte sich neben sein Kind, das jetzt auf dem Operationstisch lag. Bevor der kleine Bub die Narkose erhielt, sah er noch einmal seinen Papa an und sagte: 'Papa, bist du da?' Dann begann die Narkose zu wirken. 'Nun können sie gehen', meinte der Arzt, als das Kind eingeschlummert war und die Operation begann. 'Nein', antwortete der Vater, 'ich habe meinem Kind versprochen, bei ihm zu bleiben, und deshalb möchte ich auch bleiben.' 'Gut, dann bleiben Sie', gestattete der Arzt. Die Operation ging gut vorüber. Als der kleine Bub aus der Narkose erwachte, hielt der Vater immer noch seine Hand. Da lächelte das Kind ein wenig und sagte ganz leise: 'Papa, du bist da?' Und schlief seelenruhig wieder ein.

Urvertrauen zu lernen auf die liebende Nähe des Gottes Jahwe (= Ich bin da, Ich bin bei dir) und auf die bleibende Liebe des Abba-Gottes des Jesus von Nazareth, der auch unser aller Abba (= Papa, Vati) ist - ist mein lebenslanger Lernprozess.

Urvertrauen auf Gott verleiht die größte innere Stärke und Kraft. Davon bin ich aus persönlicher Erfahrung überzeugt.