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Text: Lukasevangelium 23, 35-43 - Einheitsübersetzung neu
Das Volk stand dabei und schaute zu; auch die führenden Männer verlachten ihn und sagten: Andere hat er gerettet, nun soll er sich selbst retten, wenn er der Christus Gottes ist, der Erwählte. Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: Wenn du der König der Juden bist, dann rette dich selbst! Über ihm war eine Aufschrift angebracht: Das ist der König der Juden. Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich selbst und auch uns! Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.
Die letzten Gedanken des Dismas - eine Erzählung aus seiner Sterbestunde
Der Schmerz fraß sich wie Feuer durch seine Arme, seine Schultern, seinen Brustkorb. Jeder Atemzug war ein qualvoller Kampf. Der Himmel über Golgatha lag bleiern über ihm, und doch war da in ihm eine seltsame Klarheit - ein Licht, das ihm erst jetzt, im Sterben, aufging.
Dismas. So hatte ihn seine Mutter genannt. Seit Jahren hatte niemand diesen Namen ausgesprochen. Für alle anderen war er nur ein Räuber und Wegelagerer, ein Gesetzloser, einer, der sein Leben vergeudet hatte. Und vielleicht hatten sie recht.
Er dachte zurück: an ein kleines Haus, das nach Staub und Brot roch. An seinen Vater, der selten lächelte, oft trank und noch öfter schlug. An die Mutter, die ihn schützen wollte, doch selber nichts hatte, womit sie Schutz geben konnte. Liebe war knapp gewesen. Anerkennung noch knapper.
Er war früh abgerutscht - nicht weil er ein schlechter Junge gewesen wäre, sondern weil er irgendwann glaubte, nichts anderes wert zu sein. Er lernte von älteren Burschen, wie man stiehlt, wie man flieht, wie man hart wird. Und Härte wurde seine Rüstung.
Er war kein Mörder - aber er hatte Gewalt angewandt. Reisende bedroht. Menschen ausgeraubt, um zu überleben. Je älter er wurde, desto weniger konnte er glauben, dass sein Leben sich je ändern würde. Er verspottete die Frommen, mied die Synagoge, redete schlecht über Gott. Aber in den stillen Nächten, wenn er alleine war, brach etwas in ihm auf: eine Sehnsucht nach mehr, nach Frieden, nach einem Ort, wo er nicht ständig kämpfen musste.
Und dann - vor ein paar Jahren - hörte er von diesem Jesus aus Nazareth. Ein Wanderlehrer, sagte man. Einer, der von Gott erzählt, als wäre Gott ein Vater, nicht ein Richter. Einer, der mit Sündern isst, mit Huren spricht, Zolleinheber einlädt mit ihm zu gehen. Vielleicht hätte er auch mich gerufen, dachte Dismas manchmal. Aber er war nie hingegangen. Zu viel Scham. Zu viel Angst, dass auch dieser Jesus ihn am Ende verachten würde.
Dismas wusste, dass es irgendwann so kommen musste. Er war erwischt worden. Nicht zum ersten Mal. Nicht zum zweiten Mal. Ein römischer Soldat war verletzt worden, als er sich wehrte. Und die Römer machten kurzen Prozess. Man brauchte ein Exempel. Und so war er am Ende auf Golgatha gelandet, neben zwei anderen - und einer davon war Jesus selbst.
Als er das Kreuz sah, an dem Jesus hing, war er zuerst erschrocken. Dann verwirrt. Dann tief getroffen. Der Mann, von dem er immer gehört hatte. Der Mann, den er nie wagte aufzusuchen. Der hing nun dort - wie ein Verbrecher. Wie er selbst.
Der andere Verurteilte links von Jesus schrie und lästerte. Fluchte gegen alle - gegen Gott, gegen die Römer, gegen das Leben. Ein Teil von Dismas verstand ihn. Diese Wut kannte er.
Aber dann sah er Jesus an. Und was er sah, verwirrte ihn noch mehr als seine eigene Schuld. Da hing ein Mensch, der unschuldig war. Ein Mensch, der hätte fliehen können, Rache rufen können, verzweifeln können. Aber Jesus tat nichts von alledem. Er litt - ja. Aber etwas in seinem Gesicht war anders: Frieden vielleicht? Oder Ergebenheit? Oder etwas, das Dismas nie im Leben gekannt hatte: Liebe, die standhält.
Und plötzlich verstand Dismas: Dieser Mann ist hier, wo ich bin - aber er gehört nicht hierher.
Und dann kam ihm ein Gedanke - wie ein flackerndes Licht: Vielleicht hat Gott mich genau deshalb hierher geführt. Damit ich ihn endlich finde. Der Spott des anderen Verbrechers wurde unerträglich. Dismas erhob seine Stimme - schwach, aber klar: 'Fürchtest du Gott auch jetzt nicht, da du die gleiche Strafe erleidest? Wir bekommen, was wir verdient haben. Dieser aber hat nichts Böses getan.'
Zum ersten Mal sprach er die Wahrheit über sich selbst laut aus. Ohne Ausreden. Ohne Lügen. Ohne Härte.
Dann wandte er den Kopf. Es schmerzte höllisch. Aber er tat es. Er sah Jesus an und sagte die Worte, die aus einer Tiefe kamen, von der er nie wusste, dass sie in ihm war: 'Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.' Er bat nicht um Befreiung. Nicht um ein Wunder. Er bat um Erinnerung. Dass sein Name - Dismas - nicht völlig verlorenging. Dass Gott an ihn denken möge.
Und Jesus, mit fast gebrochenem Atem, mit von Blut verkrusteten Lippen, drehte sich zu ihm. Seine Augen waren dunkel vor Schmerz - und doch voller Licht. 'Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.'
Diese Worte waren wie ein Sturm, der seine ganze Vergangenheit hinwegfegte. Dismas weinte. Nicht vor Schmerz. Sondern aus einer Liebe, die er nie erfahren hatte.
Der Schmerz wurde dumpfer. Sein Atem flacher. Die Geräusche um ihn herum verschwammen. Aber in ihm war Frieden. Zum ersten Mal seit seiner Kindheit.
Er dachte: Ich gehe heim.
Und in seinem Geist hörte er seinen eigenen Namen - nicht wie ein Urteil, sondern wie ein Versprechen.