Klicke auf das Bild, um es zu vergrößern!
In der oberen Bildzone ruhen die Augen eines Menschen,
offen, wach und direkt in die Welt blickend.
Darunter ragt der schwere Dachbalken in den Raum,
rau, rissig, massiv.
Ein Stück Holz, das ein Haus hätte tragen können -
jetzt aber wie eine Last wirkt, die den Blick verdunkeln kann.
Unten liegt ein winziger Spreißel,
kaum sichtbar, leicht zu übersehen.
Ein winziges Stück Holz, so zart,
dass man es nippen müsste, um es überhaupt wahrzunehmen.
In der Zusammenschau
entfaltet sich das Bild Jesu aus Mattäus 7,1-5:
Wie leicht richten wir
über den unbedeutenden Spreißel im Auge des Anderen .
und wie schwer fällt uns der Mut zur Selbsterkenntnis,
die den Balken im eigenen Blickfeld sichtbar machen würde.
Die Augen oben, der Balken in der Mitte, der Spreißel unten:
Eine stille, eindringliche Botschaft
über Klarsicht, Demut
und die heilende Kraft der Selbstprüfung.
Der blinde Fleck oder: Das Spiegelgesetz des Unbewussten
Text: Matthäusevangelium 7, 1–5 - Übersetzung: Das Buch
1 Fällt kein abschätziges Urteil über andere, damit auch ihr nicht vorschnell abgeurteilt werdet! 2 Denn mit dem Maßstab, den ihr an andere anlegt, werdet ihr auch gemessen werden. Und die Erwartungen, die ihr anderen gegenüber habt, werden auch an euch gestellt! 3 Warum starrst du auf den winzigen Splitter im Auge deines Mitmenschen und nimmst gleichzeitig das dicke Brett nicht wahr, das dir den Blick auf die Wirklichkeit und auf dich selbst vollkommen verstellt? 4 Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Komm her, ich ziehe dir deinen Splitter aus dem Auge! - wenn du gleichzeitig ein dickes Brett mit dir herumschleppst, das dir den Blick versperrt? 5 Damit täuschst du dich selbst und versuchst die anderen zu täuschen. Deshalb: Schau erst einmal der ungeschminkten Wahrheit über dich selbst ins Auge! Dann wirst du auch deinem Mitmenschen helfen können, seinen blinden Fleck zu überwinden.
Gottes Wort gibt uns Orientierung
Wir haben diese Bereiche unseres Lebens, die wir nicht sehen, obwohl sie mitten in uns liegen. Es sind die blinden Flecken unseres Herzens. Wie beim Auge, wo an der Stelle des Sehnervs kein Bild entsteht, gibt es auch in unserer Seele Bereiche, die wir nicht wahrnehmen. Und doch tun wir so, als hätten wir ein vollständiges Bild. Unser Gehirn ergänzt, was fehlt, damit wir glauben, wir sähen klar. Ebenso ergänzt unsere Psyche, was wir nicht wahrhaben wollen. Sie überdeckt die Lücke - oft mit Geschichten, Rechtfertigungen oder Schuldzuweisungen an andere.
Jesus spricht davon, wenn er vom Splitter und dem Balken spricht. Er spricht nicht über die Fehler anderer. Er spricht über mich. über das, was ich nicht sehen will: meinen Stolz, meine Angst, meinen Ärger, meine Wunden, meine unerfüllten Sehnsüchte, meinen Eigenwillen. Das sind keine Randzonen. Es sind zentrale Punkte unseres Menschseins - aber sie liegen im Schatten.
Und so geschieht es: Was ich bei mir nicht sehen kann, erkenne ich bei anderen - oft scharf, manchmal gnadenlos. Ich merke den Splitter im Auge des anderen, weil er etwas in mir spiegelt, das ich noch nicht wahrhaben will. Der blinde Fleck ist also nicht einfach ein Mangel, er ist eine Lehrstelle der Gnade. Er lädt mich ein, hinzuschauen, wo ich bisher weggeschaut habe. Nicht mit Gewalt. Nicht mit Selbstverurteilung. Sondern mit dem Blick Jesu - einem Blick der Wahrheit und der Liebe zugleich.
Wenn Christus uns anschaut, dann nicht, um uns bloßzustellen, sondern um das Licht in jene Räume zu bringen, die wir selbst nicht betreten. Wo Licht hineinfällt, da verliert der Schatten seine Macht. Wo ich mich meinen blinden Flecken stelle, da entsteht Freiheit.
Blinde Flecken kann man allein kaum erkennen. Darum braucht es das Gegenüber: Menschen, die uns ehrlich spiegeln. Situationen, die uns irritieren. Momente, in denen wir merken: 'Da ist mehr in mir, als ich dachte.' Und es braucht den Mut, diese Spiegelungen nicht abzuwehren, sondern sie als Einladung Gottes zu verstehen.
Jesus Christus,
du kennst mich besser, als ich mich selbst kenne.
Du siehst, was ich nicht sehen will.
Du schaust mit Liebe in meine blinden Flecken.
Schenke mir Mut, mein Herz zu öffnen,
damit dein Licht die Schatten durchdringt
und ich wahrhaftig werde - vor dir und vor mir selbst.