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Text: Matthäusevangelium 4, 18-22 - Einheitsübersetzung neu
Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen gerade ihr Netz in den See, denn sie waren Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach. Als er weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her. Er rief sie und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus nach.
Andreas erinnert sich
Ich bin Andreas, der Bruder des Simon, den ihr Petrus nennt.
Heute befinde ich mich genau an der Stelle am See Genesareth, wo uns Jesus, der Mann aus Nazareth, vor vielen Jahren angesprochen hat. Ich erinnere mich, als ob es gestern gewesen wäre. Denn: Das war eine Sternstunde meines Lebens.
Es war ein Morgen wie viele andere am See. Wir waren müde von der Nacht, die Netze waren schwer und voller Schmutz, doch kaum Fische darin. In einem anderen Boot in der Nähe saß ein anderes Brüderpaar - Jakobus und Johannes. Gemeinsam mit ihrem Vater flickten sie ihre Netze.
Simon war immer ein sanguinischer Typ - in einem Moment himmelhochjauchzend, im nächsten zu Tode betrübt. Frustriert schimpfte er: 'Andreas, wieder eine erfolglose Nacht ... Was soll das werden? Manchmal würde ich die Fischerei am liebsten hinschmeißen. Aber ich muss ja für meine Frau und meine Kinder sorgen.' Ich zuckte die Schultern. 'So ist das Leben eines Fischers. So ist das Leben jedes Menschen. Einmal bringt es Fülle, ein anderes Mal nur erfolglose Mühe. Vielleicht gibt es mehr im Leben als nur Netze, Boote und Fische ...' Simon schaute mich scharf an. 'Und wovon sollen wir leben? Von Träumereien?' Seine Worte trafen mich, doch in mir regte sich ein leiser Gedanke: Vielleicht gibt es wirklich mehr. Vielleicht ist unser Leben nicht dazu bestimmt, ewig hier am See zu verharren und Fische zu fangen.
Als wir so miteinander sprachen, kam uns Jesus entgegen. Er war uns kein ganz Unbekannter. Wir hatten ihn schon gesehen und reden gehört. Zielgerichtet kam er auf uns zu. 'Schalom', begrüßte er uns mit einem herzlichen Blick. 'Schalom' erwiderten wir. 'Wie geht es euch? Wart ihr letzte Nacht mit dem Fang zufrieden?' fragte er mit sanfter Stimme. Irgendwie verärgert antwortete ihm Simon: 'Ach, du siehst ja, bis auf ein paar kleine Barsche, Welse und Sardinen sind die Netze leer. Wenn ich nicht meine Familie zu ernähren hätte, hätte ich nach solchen Nächten meinen Beruf längst an den Nagel gehängt.' Jesus schwieg einen Augenblick. Sein Blick ruhte auf Simon, als wollte er in sein Herz sehen. Dann nickte er langsam. 'Ich weiß, wie schwer es ist, wenn die Arbeit keine Frucht bringt. Aber glaub mir: Es gibt eine andere Ernte, die viel reicher ist.' Dann fügte er hinzu: 'Simon, Andreas, geht mit mir, werdet meine Schüler, lernt meine Gottesbotschaft kennen, die ich mit Worten und Taten verkünde. Ihr werdet von mir lernen. Und wenn ihr gelernt habt, werdet ihr euch selbst auf den Weg zu den Menschen machen und mich in Worten und Taten zu den Menschen bringen.' Simon runzelte die Stirn. 'Andere Ernte? Deine Schüler werden? Was meinst du?' Jesus sah auf den See hinaus. ,Menschen, Simon. Menschen, die hungern nach Hoffnung, nach Liebe, nach Wahrheit. Wer ihre Herzen gewinnt, der trägt einen Fang heim, der nie verdirbt.'
Ich dachte bei mir: Könnte es sein, dass mein Herz mehr ersehnt als Fische in Netzen? Könnte es sein, dass dieser Mann uns in eine größere Aufgabe ruft?
Simon kratzte sich am Bart. 'Wie? Du meinst, wir sollen alles verlassen und uns mit dir auf eine ungewisse Zukunft einlassen?' Jesus lächelte ihn freundlich an. 'So wie du mit dem Netz Fische sammelst, so wirst du mit meinem Wort und meiner Tat Menschen gewinnen - nicht für dich, sondern für das Reich Gottes. Komm mit mir, und du wirst es sehen und lernen.'
Jakobus und Johannes, die unser Gespräch mitbekamen, blickten neugierig herüber. Johannes rief: 'Andreas, was will er von euch?' Ich antwortete: 'Er spricht von einem neuen Weg. Von einem Fang, der größer ist als der Fang der Nacht.'
Ihr Vater, Zebedäus, rief ihnen zu: 'Hört nicht auf solche Träumereien! Wir brauchen Hände, die Netze flicken, keine Wanderprediger!' Johannes schwieg. Ich selbst kämpfte innerlich. Soll ich das Bekannte loslassen? Meine Familie, mein Boot, meine Sicherheit? Oder soll ich den Schritt ins Ungewisse wagen? Jesus sah mich an, als kenne er meinen inneren Kampf. 'Andreas, ich weiß, du hast Fragen. Aber vertraue mir. Wer mir folgt, wird das Leben finden - in Fülle.'
Simon wandte sich zu mir. 'Andreas, was denkst du?' 'Simon, ich glaube, er hat recht. In mir ist eine Sehnsucht, die kein Netz und kein voller Fang stillen kann. Vielleicht ist er der, bei dem wir finden, was wir suchen.' Jesus legte seine Hand auf meine Schulter. 'Komm. Hab keine Angst, fürchte dich nicht!'
Noch waren wir nicht sofort bereit, unser bisheriges Leben loszulassen. Tage vergingen, in denen wir mit unseren Familien sprachen, Rat suchten, zweifelten, wieder Hoffnung fassten. Aber diese Begegnung war wie ein Samenkorn, das in uns zu wachsen begann.
In jener Morgenstunde sprach Jesus auch Jakobus und Johannes an und lud sie ein, mit ihm zu gehen. Auch sie rangen mit der Entscheidung. Doch wie wir spürten auch sie: Dieser Ruf ist stärker als jede Bindung.
Heute weiß ich mit Gewissheit: Meine Entscheidung in jener Zeit war die beste Entscheidung meines Lebens. Denn in Jesu Nähe habe ich erfahren, zu welcher Aufgabe mich Gott bestellt hat.
Die Geschichte des Andreas ist keine romantische Legende. Sie erzählt von der Spannung zwischen Sicherheit und Sehnsucht, zwischen Alltagslast und Aufbruch.
Wer von uns kennt nicht diese Fragen:
Soll ich weitermachen wie bisher?
Gibt es für mein Leben noch mehr als Arbeit, Pflichten und den Kreislauf der Tage?
Wo ist der Ort, an dem meine Sehnsucht nach Sinn gestillt wird?
Jesus ruft auch uns. Nicht alle sollen ihr Haus verlassen oder den Beruf aufgeben. Aber jede und jeder von uns ist gerufen, ein Schüler, eine Schülerin Jesu zu sein: Für Menschen da zu sein, Hoffnung zu wecken, Liebe zu leben. Seine Stimme klingt leise - in einem Wort, das uns trifft, in einem Menschen, der uns ansieht, in einer Situation, die uns aufrüttelt. Heute spricht Jesus auch zu uns: 'Komm, geh mit mir. Es gibt mehr als Netze und Fische. Es gibt Menschen, die dein Herz und deine Hände brauchen. Es gibt Leben in Fülle.'
Andreas damals hat Ja gesagt.