Kinderaugen - Jesusaugen - Gottesaugen

Matthäusevangelium 18, 1–14

Im Blickfeld dieser Evangelien-Stelle stehen Menschen, die sich ihre "Kindlichkeit" bewahrt oder sie wiedergefunden haben. Sie sehen die Welt und das Leben mit den LIEBE-vollen und VERTRAUENS-vollen Augen von Kindern - rein, ungetrübt und unverfälscht. Jesus nennt sie die "Kleinen".

Wie Kinderaugen sind Jesu Augen und Gottes Augen. Gott blickt mit unbedingt liebenden, unendlich gütigen, grenzenlos vergebend barmherzigen, vollkommen einfühlenden und verständnisvollen, herzlichen Augen alle seine Geschöpfe an.

"Wer ist der Größte im Himmelreich?" wurde Jesus von seinen Schülerinnen und Schülern gefragt. Da stellte er ein Kind in die Mitte und sagte ihnen: Wenn ihr nicht werdet wie Kinder, kommt ihr nicht ins Himmelreich. Lernt wieder die Haltung der Kindlichkeit, wenn ihr sie verlernt habt, oder wenn sie euch von klein auf abgewöhnt wurde. Die Haltung der Kindlichkeit ist nämlich das Zentrum, der Mittelpunkt - der höchste Wert und das kostbarste Gut - nicht irgendwann, sondern jetzt - hier und heute.

Wer lernt, sich selbst und alle Mitgeschöpfe mit den "kindlichen" Augen Gottes zu sehen, ist Christus ähnlich.

Dann folgen die schaurigen, erschreckenden, bedrohenden Worte "jemandem einen Eselsmühlstein um den Hals hängen und ihn in der Tiefe des Meeres versenken" und "wehe, wehe" und "die Hände und Füße abhauen und die Augen ausreißen" und "in das Feuer der Hölle geworfen werden". Wir sind gewiss, diese Worte stammen nicht aus dem Munde Jesu, sondern von der negativen Ausdrucksweise des Verfassers, der damit den hohen Wert der Haltung der Kindlichkeit ganz dick unterstreichen und schützen wollte.

Schließlich sehen wir Jesu eigene Haltung der Kindlichkeit in seinem Gleichnis von dem hundersten Schaf.

Da erzählt er uns von Gott, der wie ein Hirte sein verirrtes Schaf nicht im Stich lässt, es sucht, ihm nachgeht, es ruft. Und als er es gefunden hat, verheddert in einem Gestrüpp oder drinnen in einer Mulde, da freut er sich so sehr über dieses eine wiedergefundene Schaf. Er holt es heraus aus seiner misslichen Lage und trägt es zur Herde. Er beschimpft es nicht, er bestraft es nicht, er verurteilt es nicht, er schlägt es nicht, er bedroht es nicht, er weist es nicht zurecht. Denn der Hirte kennt seine Schafe und er weiß, dass das Schaf sich nicht bewusst in diese Lage gebracht hat. Er hat auch nicht so reagiert: "Es ist selbst schuld daran, dass es verloren gegangen ist, es ist mir nicht gehorsam gefolgt, soll es doch bleiben, wo es ist, ist mir doch egal, wie es ihm geht, soll es doch der Wolf fressen."

Und der Hirte hat auch nicht mit den anderen Schafen Gericht gehalten über dieses verirrte Schaf, und jeder sollte es nur tüchtig ausschimpfen und zurechtweisen, und ihm sagen, dass es böse ist und ungehorsam, und dass es sich schämen soll über seine Untat.

Und niemand hat ihm erniedrigende Fragen gestellt wie: Warum hast du so getrödelt, warum hast du nicht gehorcht, warum hast du nicht die Gräser gefressen, die wir alle gefressen haben; warum bist du nicht schneller gelaufen ... .

Auf diese Weise zeigt uns Jesus Gott, der jedem Verirrten nachgeht; denn seine Liebe ist grenzenlos und überwindet alle menschlichen Moralvorschriften und Sittenlehren und Gesetzestexte. So sieht Vergebung aus: sie versteht, sie hört zu, sie richtet auf, sie ist nicht nachtragend, nicht rachsüchtig, nicht beschämend.

Diese allumfassende Liebe, von dem dieses Gleichnis erzählt, entspringt der Haltung der Kindlichkeit. Sie zu lernen/wiederzulernen ist Christusnachfolge.