Religion und Geld

Matthäusevangelium 21, 12–17

Den jüdischen Pilgern, die aus allen Gegenden der damaligen Welt nach Jerusalem kamen und im Tempel Dankopfer darbringen lassen wollten, wurden in den Tempelhöfen Opfertiere - Rinder, Schafe, Tauben - von Verkäufern zu Wucherpreisen zum Kauf angeboten. Diese Tiere mussten fehlerlos sein. Eigene Aufseher im Tempel kontrollierten jedes einzelne Tier auf seine Fehlerlosigkeit. Tiere, die von Pilgern von außerhalb in den Tempel mitgebracht wurden, wurden meistens abgewiesen. Daher blieb den Pilgern nichts anderes übrig, als die Opfertiere zu hohen Preisen im Tempel zu kaufen. Es handelte sich um Ausbeutung im Namen der Religion.

Von jedem Pilger, der ihn den Tempel kam, war vom 19. Lebensjahr an eine Tempelsteuer, und zwar nur mit jüdischem Geld, zu entrichten. Denn nur jüdisches Geld galt als 'rein'. Da in Palästina damals auch nichtjüdische Währungen im Umlauf waren, und die Pilger auch aus dem Ausland kamen, musste zum Bezahlen der Tempelsteuer Geld gewechselt werden. Dazu gab es in den Tempelhöfen eigene Geldwechsler. Auch sie betrieben Wucher und Ausbeutung zu ihren persönlichen Gunsten im Namen der Religion, indem sie mit ungerechten Wechselkursen Geld wechselten.

Viele Geldgeschäfte im Namen Gottes! Welcher Missbrauch der Religion, sich Gottes zu bedienen für Geldgewinn und Geldgier! Die Gelder flossen den Tempelpriestern und Hohepriestern zu, die den Menschen einredeten, mit ihren Opfern im Tempel könnten sie Gutpunkte bei Gott sammeln und Vergebung ihrer Sünden erlangen.

Jesus hat den Opferkult im Tempel im Allgemeinen zutiefst abgelehnt, weil Gott von den Menschen keine Opfer, sondern Barmherzigkeit will, und die Verwendung Gottes als Mittel für finanziellen Nutzen im Besonderen.

Wir glauben aber nicht, dass Jesus tatsächlich Tische und Stände umgeworfen und die Verkäufer mit ihren Opfertieren und die Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben hat.

Erstens wäre das wegen der Weitläufigkeit der Tempelhöfe und wegen der großen Zahl der Verkäufer, Geldwechsler und Tiere praktisch gar nicht möglich gewesen. Außerdem hätten die römischen Besatzungssoldaten, die das Geschehen im ganzen Tempelbezirk genau überwachten und rund um die Uhr kontrollierten, so einen Aufruhr sofort im Keim erstickt.

Zweitens gehen wir davon aus, dass Jesus mit Sicherheit niemals Gewalt angewendet hat. In seiner Kernbotschaft nannte er die Sanftmütigen richtig. Das kann auch übersetzt werden mit 'richtig sind, die keine Gewalt anwenden'. Jesus hat konsequent gelebt und umgesetzt, was er verkündet hat. In seinem Reich, dem Gottesreich, gibt es die nicht zu unterschätzende Kraft der Sanftmut, die in Gott ruht, jedoch keine Gewaltausübung.

Jesus war Mystiker, der Gott erfahren hat und deshalb mit göttlicher Autorität ausgestattet war. Seine Worte, seine Ausstrahlung, sein Auftreten waren stark und wirkmächtig. Gewalt gebrauchen nur ich-schwache Menschen.

Wenn die Verfasser der Evangelien von Gewaltanwendung Jesu berichten, ist das literarisches Ausdrucksmittel, um seine radikale und kompromisslose Ablehnung von rücksichtslosem Streben nach Profit und brutaler Ausbeutung im Namen Gottes deutlich zu machen.

Mit den darauf folgenden Heilungen durch Jesus im Tempel will uns der Autor des Matthäus-Evangeliums sagen, dass Anbetung Gottes in rechter Weise durch das Schenken von heilender Menschlichkeit und Barmherzigkeit geschieht. Sie sind die wahre Religion. Dazu wird kein äußeres Gebäude gebraucht. Dazu müssen keine Tiere mehr getötet werden. Das allerdings verstehen nur die mit ihrem Herzen Sehenden, nicht die Verkopften.