Kein Haar wird uns gekrümmt

Lukasevangelium 21, 5-19

Kommentar

„Kein Haar wird euch gekrümmt werden”, wörtlich: „Ein Haar von eurem Kopf wird gewiss nicht verloren gehen.” Das ist für uns der Kernsatz dieses Evangeliums. Dieser Satz ist nicht wortwörtlich, sondern in einem tieferen Sinn zu verstehen. Es handelt sich um eines der vielen Bildworte, die Jesus verwendet.

„Ein Haar von eurem Kopf wird gewiss nicht verloren gehen.” Mit diesem Urvertrauen und dieser Glaubensüberzeugung hat Jesus von Nazareth gelebt. Und diese Zusage und Gewissheit gibt er weiter an alle Geschöpfe, nicht nur an irgendwelche Auserwählte und nicht nur an die, die irgendwelche heilige Leistungen erbringen, sondern voraussetzungs- und bedingungslos an ALLE.

„Ein Haar von eurem Kopf wird gewiss nicht verloren gehen.” Dieses Evangelium, diese Gute Nachricht, schenkt Jesus allen ohne Ausnahme. Gott, den Jesus mit seinem Leben verkündet und offenbar macht und für den er mit seiner ganzen Person einsteht, hat von jedem seiner Geschöpfe ein einmaliges Bild, ein Bild von unvorstellbarer und unbeschreiblicher Schönheit, ein Bild der Ganzheit, ein Bild vollendeter Herrlichkeit. Dieses Bild trägt jedes Geschöpf Gottes in sich. Dieses Bild ist unantastbar und unzerstörbar. Dieses Bild bringt Gott unversehrt heim. Er bringt es mit Sicherheit ans ewige Ziel. Was auch immer einem Geschöpf Gottes geschieht, nichts an diesem Bild geht verloren, nichts und niemand kann es zugrunde richten.

In diesem Evangelium spricht Jesus von dunklen Seiten unserer Welt. Er spricht von Zerstörung und Vernichtung, von Kriegen und Unruhen, von Gewalt unter den Völkern, von Erdbeben, Seuchen und Hungersnöten, von Hass, Verfolgung und tödlicher Feindschaft unter Menschen bis hinein in die eigenen Familien. Die dunklen Seiten der Welt sind alles, was der ganzen Welt und allen Geschöpfen zu ihrer Vollendung noch fehlt. Die ganze Schöpfung und alle Geschöpfe befinden sich bis zu ihrer Vollendung in Entwicklungs-, Wachstums- und Reifungsprozessen. Diese Abläufe und Vorgänge sind für die ganze Schöpfung und für alle Geschöpfe schmerzhaft vergleichbar mit einer Geburt.

Als Mensch auf dieser Welt hat Jesus so wie alle Geschöpfe Gottes nicht nur die hellen, sondern auch die dunklen Seiten dieser Welt erfahren und schmerzvoll erlitten.

Warum Gott nicht von vornherein alles vollendet geschaffen hat, wissen wir nicht. Er allein weiß es. Jesus sagt, dass es so sein muss, wie es ist. Das bedeutet: Alles, was ist und geschieht in der Welt, ist nicht sinnloser Zufall, Laune und blindes Schicksal, sondern hat einen letzten großen Sinn. Darauf können wir uns verlassen. Diesen Sinn wird Gott uns offenbar machen, wann er es für richtig hält.

„Ein Haar von eurem Kopf wird gewiss nicht verloren gehen.” Diese Gute Nachricht hat uns Jesus geschenkt für unser Leben jetzt, nicht für irgendwann später. Wer diese Gute Nachricht jetzt annimmt und auf sie vertraut, erfährt durch sie Freude, Hoffnung, Befreiung von Angst, Ermutigung und Kraft - HIER und HEUTE.