Aufgeweckt

Matthäusevangelium 9, 18-26

Zwei Frauen, die wie alle ihre Geschlechtsgenossinnen in der damaligen Zeit nicht wirklich leben dürfen. Sie sind zu vergleichen mit Blütenpflanzen, die am Erblühen gehindert werden, solange sie sind.

Diese zwei Frauen leben in einer streng patriarchalen Welt. Als Eigentum ihrer Väter und ihrer Ehemänner müssen sie sich der Macht und Willkür ihrer Männer in jeder Weise unterordnen.

Selbstbestimmung und Freiheit gibt es für Frauen dort nicht. Sie sind in allem gänzlich auf ihre Männer angewiesen. Sie haben keine Rechte. Die Männer können mit ihnen verfahren, wie es ihnen beliebt, können mit ihnen umgehen wie mit Objekten, sie behandeln wie Sachen. Männer können ihre Frauen schlagen und misshandeln, und die Frauen haben keine Möglichkeit sich nach Recht und Gesetz zur Wehr zu setzen. Ihre Stimme gilt nichts. Gerichtsaussagen von Frauen zählen nicht im Mindesten.

Stirbt der Ehemann, ist die Frau mittellos, hat sie außerdem auch keine Kinder, ist ihr Schicksal bis zum Sterben endgültig besiegelt.

Der Blutfluss der einen Frau ist ein deutliches Zeichen, dass ihr Leben wie ausgeronnen und leer ist. Ihre unaufhörlichen Blutungen machen sie fortwährend zu einer Unreinen. Sie wird gemieden; denn wer mit ihr in Berührung kommt, wird selbst unrein. Auch eine Bank, auf der sie sitzt, oder ein Kochlöffel, den sie in die Hand nimmt, wird unrein. Als Unreine darf sie nicht am öffentlichen gesellschaftlichen und religiösen Leben teilnehmen, darf die Synagoge und den Tempel nicht betreten; denn sie ist nach damaliger religiöser Auffassung auch vor Gott unrein, auch von ihm gemieden, verstoßen und als Sünderin gestempelt. Vom vermeintlichen Verhalten Gottes leiten die religiösen Gesetzeshüter ja ihr eigenes Verhalten ab.

Heimlich berührt die "Unreine" das Gewand Jesu. Jesus schimpft sie nicht, ganz im Gegenteil, er spricht ihr Mut zu, auch künftig die Barrieren ihrer Unreinheit zu überspringen und zu ihrem selbstbestimmten, freien Leben zu stehen.

Das "tote" Mädchen richtet Jesus auf, "erweckt" es zum Leben. Zuvor weist er die Leute, die an den gesellschaftlichen und religiösen Traditionen, Gesetzen und Vorschriften kleben und richtig und normal finden, was Frauen angetan wird, hinaus.

Die Einstellung Jesu zu Frauen ist damals revolutionär. Er begegnet ihnen mit der gleichen Würde, Achtung, Wertschätzung und Menschlichkeit wie den Männern und pflegt mit ihnen entsprechenden Umgang. Er versichert den Frauen, dass ihnen die gleichen Rechte zustehen wie Männern, dass ihnen sein Abba-Gott von Anfang an unverlierbare Würde geschenkt hat, und dass sie in Gottes Augen ebenso kostbar, teuer und geliebt sind wie Männer.

Jesus an alle Frauen heute und zu jeder Zeit: Steht auf, lebt aufgeweckt, eure Würde und eure Rechte in allen Bereichen des Lebens und der Gesellschaft sind euch von Gott verbrieft.