Kommentar zu Matthäus 11, 1-11

Johannes der Täufer kritisierte um das Jahr 28 n. Chr. in öffentlichen Predigten den Ehebruch von Herodes Antipas (einem Sohn von König Herodes dem Großen) und seiner zweiten Frau Herodias auf scharfe Weise. Er wurde daraufhin von Herodes Antipas gefangengenommen, auf der Festung Machaerus eingekerkert und dort auf Veranlassung der Herodias enthauptet. Herodes Antipas (zur Zeit Jesu Herrscher von Galiläa) verließ seine erste Frau und heiratete daraufhin seine Schwägerin und zugleich Nichte Herodias. Herodias war die Tochter eines Halbbruders von Herodes Antipas und war in erster Ehe mit einem weiteren Halbbruder ihres Vaters und ihres Onkels Herodes Antipas verheiratet. Ihr erster Mann war also ihr Onkel und auch ihr zweiter Mann - Herodes Antipas - war ihr Onkel. Dieser doppelte Ehebruch erregte bei den religiösen Juden großes Ärgernis.

Auch Johannes der Täufer hatte Jünger (= Schüler).

Johannes vermied das von der religiösen Tradition und den politischen Erwartungen des Volkes Israel belastete Wort "Messias" und gebrauchte stattdessen die Umschreibung "der, der kommen soll". Johannes hatte offensichtlich Zweifel, ob Jesus der Christus (= der Messias = der Gesalbte) ist.

"Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet": Jesus antwortete den Johannesjüngern mit den messianischen Verheißungen des Propheten Jesaja (Jes 35, 5f: "Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben werden geöffnet. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch und die Zunge des Stummen frohlockt". Jesus erweiterte die Zitate aus Jesaja durch Aussätzigenheilungen und Totenerweckungen. Auf die Anfrage des Täufers verweist Jesus auf seine Zuwendung zu den Kranken (krank im ganzheitlichen Sinn) und Armen. Krankheit, Armut und frühes Sterben galten im damaligen Judentum als Strafe Gottes für Sünde. Jesu Zuwendung zu Kranken und Armen wurde deshalb als Annahme von Sündern betrachtet. Dass sich Jesus mit Menschen abgegeben hat, die als Sünder angesehen oder öffentlich als solche abgestempelt wurden, war für die selbstgerechten Frommen ein religiöser Skandal und ein schwerwiegendes Hindernis, Jesus als Messias anzuerkennen.

Das griechische Wort für "Arme" heißt "ptochôi", das vom Zeitwort "ptêsse-in" bzw. "ptôche-in" kommt und "sich ängstlich ducken", "sich verkriechen" bedeutet.

Das griechische Wort für "Anstoß nehmen" ist die Passivform von "skandalíze-in" und bedeutet "zu Fall kommen", "abfallen", "irre werden". Demnach: "Zu beglückwünschen ist, wer an mir nicht irre wird." Viele Juden, vor allem die Führenden der Religion, wurden damals an Jesus irre, weil er ihren messianischen Vorstellungen und Erwartungen nicht entsprach.

"Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt": Das bedeutet einen Menschen, der seinen Mantel nach dem Wind hängt und seine Meinung und Überzeugung ändert, wie es für ihn gerade günstig ist.

"Einen Mann in feiner Kleidung": Damit ist ein Mensch gemeint, der verweichlicht ist und das Leben in vollen Zügen genießt.

"ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bahnen wird": wortgetreue Übersetzung: ich schicke meinen Boten vor deinem Angesicht her, der herrichten wird deinen Weg vor dir. Das ist ein Zitat aus dem Buch des alttestamentlichen Propheten Maleachi: "Seht, ich sende meinen Boten; er soll den Weg für mich bahnen. Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht. Seht, er kommt!, spricht der Herr der Heere." (Mal 3, 1) Ursprünglich waren alle künstlich angelegten und befestigten Straßen von den Königen gebaut worden und auch ihnen allein vorbehalten. Sie hießen deshalb auch "Straßen des Königs". Wenn der König seine Straßen benutzte, wurden zuvor Boten (Rufer) in das betreffende Gebiet gesandt, um die dortigen Bewohner aufzufordern, die Straße auszubessern und in Ordnung zu bringen.

Johannes der Täufer ist der unmittelbare "Wegbereiter" des Messias. Deshalb hat es im Alten Testament keinen "größeren" Menschen als ihn gegeben. Jesus aber hat ein ganz neues Bild von Gott vermittelt: das Bild des unendlich Liebenden. Dieses hat Johannes nicht mehr kennengelernt. Er blieb der Gottesvorstellung und Gottesverkündigung des Alten Testamentes verhaftet. Daher steht er trotz seiner großartigen Stellung im Alten Testament selbst hinter dem Geringsten zurück, der Jesus und damit das Neue annimmt: nämlich den Glauben an den Gott der reinen, ewigen Liebe.