Kein frommes Schauspielern im Reich Gottes

Matthäusevangelium 6, 1–8.16-18

Nicht selten handeln Menschen nach diesem Motto: "Tue Gutes und erzähle es den andern, was du Gutes getan hast", "Tue Gutes und tu es so, dass es die andern sehen, dass sie darüber reden, dass sie dich dafür loben". Auch wir selber sind versucht, das Gute, das wir vollbracht haben, hinauszuposaunen, und mit unserem Glauben, mit unserer Frömmigkeit, mit unserem anständigen Leben vor anderen zu glänzen. Jesus fordert uns auf: Wenn ihr Gutes tut, dann tut es so, dass eure linke Hand nicht weiß, was die rechte tut.

Die folgende Geschichte von zwei Brüdern kann uns ein Beispiel geben.

Es waren zwei Brüder. Der jüngere war verheiratet und hatte Kinder, der ältere war unverheiratet und allein. Die beiden Brüder arbeiteten zusammen. Sie pflügten das Feld zusammen und streuten zusammen den Samen aus. Zur Zeit der Ernte brachten sie das Getreide ein und teilten die Garben in zwei gleich große Stöße, für jeden einen. Als es Nacht geworden war, legten sich beide Brüder bei ihren Garben nieder, um zu schlafen. Der ältere aber konnte keine Ruhe finden und dachte: "Mein Bruder hat eine Familie, ich dagegen bin allein, und doch habe ich gleich viele Garben genommen wie er. Das ist nicht recht." Er stand auf, nahm von seinen Garben und trug sie heimlich und leise zu den Garben seines Bruders. Dann legte er sich wieder hin und schlief ein.

In der gleichen Nacht, einige Stunden später, erwachte der Jüngere. Auch er musste an seinen Bruder denken und sprach in seinem Herzen: "Mein Bruder ist allein und hat keine Kinder. Wer wird in seinen alten Tagen für ihn sorgen?" Und er stand auf, nahm von seinen Garben und trug sie heimlich und leise hinüber zum Stoß des Älteren.

Als es Tag wurde, erhoben sich die beiden Brüder von ihrem Nachtlager, und wie war jeder erstaunt, dass ihre Garben genauso viele waren wie am Abend zuvor. Aber keiner sagte dem anderen ein Wort. In der zweiten Nacht wartete jeder, bis er glaubte, dass nun der andere eingeschlafen war. Dann erhoben sie sich, und jeder nahm von seinen Garben, um sie zum Stoß des anderen zu tragen. Auf halbem Weg begegneten sie einander, und jeder erkannte, wie gut es der andere mit ihm meinte. Da ließen sie ihre Garben fallen und umarmten einander in herzlicher brüderlicher Liebe.