Kein Fanatismus im Reich Gottes

Matthäusevangelium 22, 15-22

Kommentar

Jesus ist Opfer des religiösen Fanatismus geworden. Blinder religiöser Fanatismus führte zu seiner Tötung. Dem Todesbeschluss derer, die Jesus als ihren Feind mundtot zu machen und zu beseitigen suchten, ging eine längere Entwicklung voraus.

Etwa zwei bis drei Jahre, bevor sie Jesus zu Tode brachten, begann Jesus seine öffentliche Abba-Verkündigung mit Worten und Taten. Seine Taten waren die Umsetzung seiner Worte. Seiner Abba-Verkündigung ist Jesus konsequent treu geblieben bis zuletzt. Keinen Millimeter ist er von ihr abgerückt, auch nicht, als ihm offener Widerstand und Anfeindungen und schließlich Hass und Todfeindschaft entgegenschlugen.

Die Abba-Verkündigung Jesu sowie sein Anspruch, Sohn und Messias Gottes zu sein, lösten einen für ihn todbringenden Konflikt mit der damaligen religiösen Führung in Israel aus. Jesus vermittelte mit seinem Abba einen ganz anderen Gott und einen ganz anderen Messias als die obersten religiösen Instanzen der Juden. Sie sahen durch Jesu Barmherzigkeitsreligion ihre jüdische Gesetzesreligion bedroht.

Sobald für die religiösen Führer des Landes feststand, dass sie Jesus töten werden, versuchten sie mit allen möglichen listigen Kniffen und Schachzügen, ihn bei den Leuten unglaubwürdig zu machen und in Fallen zu locken, um seiner habhaft zu werden.

Ein Beispiel dazu liefert uns dieses Evangelium. Die, die sich als seine Gegner sahen, konfrontierten Jesus mit der ausgefuchsten Frage, ob es erlaubt sei, dem Kaiser in Rom Steuer zu zahlen. Da waren auf der einen Seite Pharisäer. Sie waren erbitterte Kontrahenten Roms und wollten lieber heute als morgen die römische Besatzungsmacht aus dem Land jagen. Und auf der anderen Seite waren Herodianer, die mit den Römern zusammenarbeiteten, weil sie sich davon Vorteile erhofften. Hätte Jesus ihre Frage mit Ja beantwortet, hätte er sich damit Unmut und Zorn der Pharisäer und aller jener Landsleute eingehandelt, die Hass auf Rom hatten. Hätte er mit Nein geantwortet, hätten ihn die, die mit den Römern sympathisierten, als Volksaufhetzer gegen Rom angezeigt. Jesus entzog sich gekonnt ihrer hinterlistigen Schlinge.

Wir stellen in diesem Zusammenhang einige Überlegungen zu Fanatismus an.

Fanatismus erträgt und duldet neben sich keine von ihm abweichende Meinung und kein anderes Denken. Einzig seine eigene Wahrheit und Überzeugung lässt er gelten. Alle anderen Wahrheiten und Überzeugungen sind in seinen Augen falsch und schlecht, bezeichnet er als gefährliche Irrtümer und bedrohliche Irrlehren, die es zu bekämpfen und auszurotten gilt. Zuerst wird dem Andersdenkenden mit Ablehnung, in der weiteren Folge mit Hass und Feindschaft begegnet. Von da ist der Weg des Fanatismus nicht mehr weit zur Anwendung von Gewalt und zur Tötung.

Fanatismus sieht nach außen auf den ersten Blick selbstsicher und stark aus, ist aber in Wahrheit innerlich unsicher und schwach. Der bedeutende Schweizer Psychologe und Psychiater C. G. Jung sagt über Fanatismus: „Zur Abwehr der Zweifel wird die bewusste Einstellung fanatisch, denn Fanatismus ist nichts anderes als überkompensierter Zweifel.”

Jesus von Nazareth war von seiner Wahrheit überzeugt, aber nicht fanatisch. Er war konsequent in seinem Denken, Reden und Tun und seiner Sache treu, aber nicht unduldsam, starr und rücksichtlos. Er hat seine Wahrheit niemandem aufgezwungen. Er war weder bedrängend noch bedrohend, sondern bemüht, Menschen sanftmütig, gütig und freundlich von seinem unendlich warmherzigen Abba-Gott zu überzeugen. Er war gewaltlos, aber nicht wehrlos.

Dieses lernen wir von Jesus.