Gottes Pädagogik

Matthäusevangelium 5, 17-26

Kommentar

Zwei Kinder gehen in die Schule. Jedes hat seinen eigenen Lehrer. Die zwei Lehrer sind so verschieden, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Der eine Lehrer begegnet dem Schulkind mit Strenge, Härte und Ungeduld. Gehorsam und Ordnung, Leistung und Disziplin sind seine obersten Prinzipien. Er setzt das Schulkind ständig unter Zeit- und Leistungsdruck. Es soll in immer kürzerer Zeit immer noch größere Leistungen erbringen. Um es zum Lernen anzuspornen, droht er dem Schulkind schlechte Noten und das Sitzenbleiben an und verhängt Strafen. Nie lobt er das Schulkind, sondern nennt es häufig einen nichtsnutzigen Faulpelz. Das Kind geht jeden Tag widerwillig und mit großer Angst zur Schule. Es empfindet den Lehrer wie einen Gegner und Feind und hasst ihn. Der Lehrer macht das Schulkind ganz krank. Bis zum Ende der Schulzeit setzt sich in dem Schulkind die Überzeugung fest, zu allem zu dumm und nichts wert zu sein.

Der andere Lehrer geht auf sein Schulkind mit Freundlichkeit und Güte, mit Verständnis und Geduld zu. Immer hält er daran fest, dass das Schulkind hochbegabt ist, und er sieht seine Aufgabe darin, das Kind dabei zu fördern, dass alle seine Begabungen langsam wachsen und sich entwickeln können. Nie setzt er das Schulkind unter Druck, sondern lässt ihm das Lerntempo selbst bestimmen und gibt ihm die Zeit, die es braucht, um etwas zu verstehen und zu begreifen. Er belastet das Schulkind nicht mit Noten, stattdessen schenkt er ihm viel Lob, Wertschätzung und Anerkennung. Dem Schulkind bereitet das Lernen großes Vergnügen. Es geht jeden Tag mit Freude zur Schule. In seinem Lehrer sieht es einen guten Freund. Am Ende der Schulzeit verlässt dieses Schulkind hochbegabt die Schule und hört sein Leben lang nicht auf, mit Begeisterung zu lernen und sich zu bilden und zu entfalten.

Der erste Lehrer hat viel gemeinsam mit den Schriftgelehrten und Pharisäern zu den Zeiten Jesu und mit den ihnen Gleichgesinnten bis heute. Jesus sagte einmal sinngemäß über sie: Sie setzen die Menschen unter Druck und bürden ihnen unerträgliche Lasten auf, indem sie von ihnen engherzig und stur, streng und ungeduldig, hart und ohne Rücksichtnahme jetzt und auf der Stelle die Einhaltung aller religiösen Gebote und Verbote verlangen.

Der zweite Lehrer hat viel gemeinsam mit dem Lehrer Jesus, und die Pädagogik des zweiten Lehrers viel gemeinsam mit der Pädagogik Gottes. Der Lehrer Jesus lehrt uns - seine Schülerinnen und Schüler - die Lernziele Gottes, all das, was wir lernen müssen, um an unser ewiges Ziel - die Fülle und Vollendung des Lebens - zu kommen. Er schenkt uns Zeit und Geduld, diese Ziele kennenzulernen, zu verstehen und leben zu lernen. Er lässt uns langsam lernen, wachsen, reifen und uns entfalten. Er droht uns nicht mit Strafen und bitteren Konsequenzen, sondern glaubt an uns, schenkt uns volles Vertrauen und seine bedingungslos bejahende Zuwendung. Er ist der Lehrer, der behutsam und achtsam, schonungsvoll und sanft, rücksichtsvoll und wertschätzend mit uns geht auf allen unseren Lernwegen. Um es mit einem alten biblischen Bildwort zu sagen: „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus.”

Der Lehrer Jesus hat uns in seiner großen Rede auf dem Berg - der sogenannten Bergpredigt - die Lernziele zur Kenntnis gebracht, die Gott uns steckt. Der Verfasser des Matthäusevangeliums überliefert sie uns in den Kapiteln 5 - 7.

Dieses Evangelium ist ein Teil der großen Rede Jesu auf dem Berg.