Kommentar zu Matthäus 24, 29-51

"bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging": Die Arche ist ein Bild für das Vertrauen, von Gottes Hand gehalten und getragen und ihn ihm geschützt und sicher zu sein.

"von zwei Frauen, die an derselben Mühle mahlen": Mit einer steinernen Handmühle haben Frauen jeden Morgen Getreide zu Mehl gemahlen für den täglichen Brotbedarf.

Gleichnisse aus dem Munde Jesu wurden in der Zeit der ersten Christenheit aus verschiedenen Gründen umgeformt. Das betrifft auch das kleine Gleichnis vom nächtlichen Einbrecher (Mt 24, 43) und das Gleichnis von dem mit der Aufsicht betrauten Knecht (Mt 24, 45-51). Christinnen und Christen der ersten Stunde glaubten, dass Christus bald nach seiner Auferstehung wiederkommen werde. Da die Wiederkunft Christi sich nicht einstellte, wurden einige Gleichnisse erzählt, die die Christinnen und Christen ermuntern sollten, mit der Nachfolge Christi nicht nachzulassen. Fünf Gleichnisse der Verzögerung der Wiederkunft sind in den Evangelien überliefert. Dazu zählen die beiden genannten.

Das Gleichnis vom nächtlichen Einbrecher knüpft an ein konkretes Ereignis an, nämlich an einen unlängst erfolgten Einbruch, von dem das ganze Dorf redet. Der Vorfall wird benutzt als Warnung: Seid wachsam, denn die Wiederkunft Christi erfolgt zu einer Stunde, in der ihr es nicht vermutet.

Im Gleichnis von dem mit der Aufsicht betrauten Knecht geht es nur um einen Knecht. Dieser Knecht hat einen Vertrauensposten erhalten. Bei der unerwarteten Rückkehr seines Herrn von der Reise wird sich zeigen, ob er des Vertrauens wert war oder ob ihn die Verzögerung der Rückkehr seines Herrn verleitet hat, seine Stellung zu Terror und Genussleben zu missbrauchen.

"in welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt": wortgetreue Übersetzung: "in welcher Nachtwache der Dieb kommt". Die Juden und alten Griechen kannten ursprünglich drei Nachtwachen zu je vier Stunden, später setzten sich überall die vier römischen Nachtwachen zu je drei Stunden durch.

"dass man in sein Haus einbricht": wortgetreue Übersetzung: durchzugraben sein Haus. Die Wände der Häuser waren aus Lehm. Einbrecher haben in die Lehmwand ein Loch gegraben und sind durch dieses Loch ins Haus eingestiegen.

Jesus wird in diesem bildhaften Vergleich nicht mit einem Dieb verglichen. Der Punkt, auf den es hier ankommt, ist einerseits der nicht berechenbare Zeitpunkt und andererseits die Wachsamkeit.

Wenn Jesus von sich selber sprach, nannte er sich meist Menschensohn und sprach in der 3. Person von sich. Etwa 50 verschiedene Namen und Titel stehen für Jesus im Neuen Testament, wie z. B. Christus (hebräisch: Messias, deutsch: der Gesalbte), Kyrios (deutsch: Herr) und Sohn Gottes. Sie sind Ausdruck der vielen Bilder, die sich seine Zeitgenossen und auch die Nachwelt von ihm gebildet haben.

Jesus hat nur einen Namen für sich verwendet und der lautet "Menschensohn". "Menschensohn" kommt aus der jüdischen Religion. Schon hier ist der Begriff mehrdeutig. Menschensohn kann für das Volk Israel stehen; es kann der endzeitliche Retter Israels sein, der Heilskönig der Endzeit oder ein Himmels- bzw. Engelswesen; es kann eine endzeitliche Richtergestalt sein; schließlich lässt es der damalige jüdische Sprachgebrauch zu, dass Menschensohn eine Bezeichnung für den Menschen schlechthin ist. Das Neue Testament enthält die Bezeichnung Menschensohn 83 Mal.

Was meinte Jesus damit, wenn er sich Menschensohn nannte? Jesus hat es vermieden, sich Messias zu nennen. Denn er war ein ganz anderer Messias, als das israelitische Volk erwartet hat. Erwartet wurde ein mächtiger Herrscher-Messias. Jesus aber ist der Messias, der von Macht im Sinne von Herrschen und Gewalt nichts hält, sondern einzig auf die Macht der Liebe und Menschlichkeit setzt. Jesus bezeichnete mit dem Wort "Menschensohn" wohl den Messias, aber den Messias der Menschlichkeit und Liebe.