DER Vater - DER Lehrer
Matthäusevangelium 23, 1-12
Kommentar
In seiner Rede auf dem Berg sagt Jesus: „Richtet nicht, damit auch ihr nicht gerichtet werdet!” Jesus lebt, was er sagt. Und er legt uns nur das zum Lernen ans Herz, was er selber lebt. Reden und Tun sind bei Jesus eins. Jesus zeigt nie mit dem Finger auf andere, er wertet nicht, richtet nicht und verurteilt niemanden, auch die Schriftgelehrten und Pharisäer nicht. Richtende und verurteilende Worte an die Pharisäer und Schriftgelehrten wurden Jesus in den Mund gelegt. Das geschah in den Jahrzehnten nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70, als sich die junge Christenheit vom religiösen Judentum immer weiter entfernt hat und es zwischen ihnen zu heftigen Auseinandersetzungen, Streitigkeiten und Polemiken gekommen ist. In diesen Jahrzehnten sind die Evangelien verfasst worden. Manche Polemik ist in sie eingeflossen.
Es hilft uns nicht und bringt uns persönlich nicht weiter, uns mit unangebrachten Verhaltensweisen der Pharisäer und Schriftgelehrten aus längst vergangener Zeit zu befassen.
Wir fragen: Was sagen die Evangelien uns heute aktuell? Was lernen wir aus ihnen? Was lernen wir in der Schule Jesu?
Jesus befreit uns zur Freiheit der Kinder Gottes. Er legt uns keine religiösen, ethischen und moralischen Lasten auf. Keine Gesetze und Vorschriften, keine hunderte Gebote und Verbote, kein bedrängendes, bedrückendes und beklemmendes „du sollst” und „du musst” und „du darfst nicht”. Jesus lässt uns die Maßstäbe des Reiches Gottes lernen. Dieses Lernen geht nicht von einem Tag auf den anderen. Das braucht Zeit, viel Zeit. Er schenkt uns die Zeit und auch die Geduld, wenn wir auf dem Weg des Lernens Fehler und Irrtümer begehen und manches heute noch nicht können. Er setzt uns nicht unter Druck. Jesus schenkt uns Leitlinien, gibt uns Orientierung und zeigt uns Wege, die uns zum Ziel führen, zu dem großen Ziel, nach dem wir uns am allermeisten sehnen: zu voller Freude und Glückseligkeit.
Jesus stellt sich und sein Leben, sein Reden und Tun nicht zur Schau vor den Menschen, er spielt sich nicht groß auf als Herrenmensch, er prahlt nicht mit seinem Wissen und seiner Weisheit und setzt sich nicht auf den Ehrenplatz. Ganz im Gegenteil: Jesus macht sich klein und erniedrigt sich. Er lässt sich nicht bedienen, hofieren und umschmeicheln, sondern er ist bei uns, um uns zu dienen und sich für uns hinzugeben bis zum Äußersten.
Sich hervortun, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ins Rampenlicht der Öffentlichkeit treten, von sich reden machen, sich feiern, umjubeln und beklatschen lassen, die ersten Plätze für sich beanspruchen, auf einem Ehrenplatz sitzen, sich besonders begrüßen lassen, nach Titeln heischen - das alles zählt im Reich Gottes nicht.
Im Reich Gottes gibt es nur einen Vater: den himmlischen. Er ist nicht der höchste Herrschende und Macht und Gewalt Ausübende, der uns strengen Gehorsam und eiserne Disziplin abverlangt, sondern der größte Liebende und Dienende. Der Abba-Gott Jesu macht sich klein und ist der erste Diener aller seiner Geschöpfe. Seine Autorität besteht im Sich hingeben und Dasein für seine Schöpfung. Er ist auch der erste Lehrer, nicht nach dem Rang, sondern nach seiner Weisheit, seiner Güte, Herzenswärme, Geduld und Menschenfreundlichkeit. Er weiß als einziger, was wirklich wichtig, wahr und gut ist. Das alles offenbart er uns durch Jesus von Nazareth.
Gott ist der eine Vater und alle seine Geschöpfe sind Geschwister der einen Gottesfamilie.