Die ganze Schöpfung geht der Herrlichkeit entgegen

Matthäusevangelium 24, 1–28

Was Jesus in diesem Evangelienabschnitt aufzählt, ist kein Weltuntergangsszenario, sondern das alles hat es in der Menschheitsgeschichte vor und nach seiner Zeit immer wieder gegeben und gibt es bis in die Gegenwart: Krieg, Zerstörung, Verwüstung, Hungersnot, Elend, Naturkatastrophen, Erdbeben, Drangsal, Hass, Verbreitung von Angst, Unterdrückung, Verfolgung, Auftreten von Lügenpropheten und selbsternannten Welterlösern, Erkalten der Liebe und Schwinden der Menschlichkeit.

Mit einem jungen Mann sprachen wir über die vielen Konflikte und kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt. Er glaube, sagte er, die Menschheit habe zwar eine große Friedenssehnsucht, sei aber zum dauerhaften Frieden noch nicht imstande, weder im Kleinen noch im Großen. Bis zur allgemeinen Friedensfähigkeit und zum Weltfrieden für alle Zeiten werde es noch Evolutionsschritte brauchen, meinte er. Und er ergänzte, Evolutionsprozesse würden nicht in ein paar Jahren, sondern in Zeiträumen von Jahrtausenden und Jahrmillionen verlaufen.

Wir können den Gedanken des jungen Mannes viel abgewinnen und finden eine biblische Bestätigung im Brief des Apostels Paulus an die Christinnen und Christen in Rom und überall auf der ganzen Welt. Da schreibt Paulus:

"Ich bin ganz sicher, dass alles, was wir in dieser Welt erleiden, nichts ist verglichen mit der Herrlichkeit, die Gott uns einmal schenken wird. Darum wartet die ganze Schöpfung sehnsüchtig und voller Hoffnung auf den Tag, an dem Gott seine Kinder in diese Herrlichkeit aufnimmt. Ohne eigenes Verschulden sind alle Geschöpfe der Vergänglichkeit ausgeliefert, weil Gott es so bestimmt hat. Aber er hat ihnen die Hoffnung gegeben, dass sie zusammen mit den Kindern Gottes einmal von Tod und Vergänglichkeit erlöst und zu einem neuen, herrlichen Leben befreit werden. Wir wissen ja, dass die gesamte Schöpfung jetzt noch leidet und stöhnt wie eine Frau in den Geburtswehen. Aber auch wir selbst, denen Gott bereits jetzt seinen Geist als Anfang des neuen Lebens gegeben hat, seufzen in unserem Innern. Denn wir warten voller Sehnsucht darauf, dass Gott uns als seine Kinder zu sich nimmt und auch unseren Körper von aller Vergänglichkeit befreit. Darauf können wir zunächst nur hoffen und warten, obwohl wir schon gerettet sind. Hoffen aber bedeutet: noch nicht haben. Denn was einer schon hat und sieht, darauf braucht er nicht mehr zu hoffen. Hoffen wir aber auf etwas, das wir noch nicht sehen können, dann warten wir zuversichtlich darauf, dass es sich erfüllt." (Römer 8, 19-25)

Diese Worte sind für uns eine großartige Hoffnungsbotschaft. Die oben genannten unglückseligen Ereignisse in unserer Welt sind nicht die ewige Wiederkehr des Gleichen, sondern eine ständige Weiterentwicklung, ein Wachstums- und Reifungsprozess. Evolution ist eine Idee des Gottesgeistes. Wir selbst und die gesamte Schöpfung unterliegen einer voranschreitenden Entfaltung. Das ganze Universum geht der Herrlichkeit entgegen. Dafür sorgt die Weisheit Gottes.

Wachsen braucht Zeit und setzt bei uns Lernen und geduldiges Warten bis zur Reife voraus. Den Weg des Reifens gehen wir nicht unzufrieden nörgelnd und jammernd. Wir lernen ihn zu gehen wie Jesus: mit froher Zuversicht, vertrauend, hoffend, liebend und menschlich miteinander umgehend.

Der Text des Liedes von Georg Neumark (1621-1681) "Wer nur den lieben Gott lässt walten" bringt unseren Reifungsweg auf wunderbare Weise zum Ausdruck.

Wer nur den lieben Gott lässt walten
und hoffet auf ihn allezeit,
den wird er wunderbar erhalten
in aller Not und Traurigkeit.
Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut,
der hat auf keinen Sand gebaut.

Was helfen uns die schweren Sorgen,
was hilft uns unser Weh und Ach?
Was hilft es, dass wir alle Morgen
beseufzen unser Ungemach?
Wir machen unser Kreuz und Leid
nur größer durch die Traurigkeit.

Man halte nur ein wenig stille
und sei doch in sich selbst vergnügt,
wie unser's Gottes Gnadenwille,
wie sein Allwissenheit es fügt;
Gott, der uns sich hat auserwählt,
der weiß auch sehr wohl, was uns fehlt.

Denk nicht in deiner Drangsalshitze,
dass du von Gott verlassen seist
und dass ihm der im Schoße sitze,
der sich mit stetem Glücke speist.
Die Folgezeit verändert viel
und setzet jeglichem sein Ziel.

Sing, bet und geh auf Gottes Wegen,
verricht das Deine nur getreu
und trau des Himmels reichem Segen,
so wird er bei dir werden neu;
denn welcher seine Zuversicht
auf Gott setzt, den verlässt er nicht.