Begegnung von Herz zu Herz

Lukasevangelium 1, 39–45

Maria besucht Elisabeth. „Begegnung von Herz zu Herz” nennen wir das Zusammenkommen der zwei werdenden Mütter. Maria behält ihre Freuden und Sorgen über ihre Schwangerschaft nicht für sich, sondern trägt sie zu Elisabeth. Und Elisabeth teilt ihre Freude und ihr Glücksgefühl über ihr unerwartetes Mutterwerden mit Maria.

„Viele Menschen begegnen sich täglich und begegnen sich in Wahrheit – nie. Viele treffen sich oft. Aber nur wenige treffen sich wirklich. Echte Begegnungen sind selten”, schreibt der Theologe und Seelsorger Theo Schmidkonz in einem Meditationstext zum Evangelium von der Begegnung der beiden Frauen Maria und Elisabeth.

Warum sind echte Begegnungen so selten? Was sind wesentliche Voraussetzungen für Begegnungen, die diesen Namen tatsächlich verdienen?

„Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten. Und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren”, sagt der Kommunikationswissenschaftler, Philosoph und Psychologe Paul Watzlawick. Sobald zwei Personen sich gegenseitig wahrnehmen können, kommunizieren sie miteinander, da jedes Verhalten kommunikativen Charakter hat. Watzlawick versteht Verhalten jeder Art als Kommunikation. Da Verhalten kein Gegenteil hat, man sich also nicht nicht verhalten kann, ist es auch unmöglich, nicht zu kommunizieren. Hinter Worten und Verhaltensweisen ohne Worte stecken bewusste oder unbewusste positive oder negative Energien und Schwingungen.

Begegnungen hängen davon ab, wie wir miteinander kommunizieren, mit welcher inneren Haltung und entsprechenden Körpersprache, mit welchen Gesten und Gebärden wir aufeinander zugehen, was wir in eine Begegnung einbringen und was die Begegnung längerfristig in uns bewirkt, was durch die Begegnung mit uns geschieht.

Ob wir einem Menschen entgegengehen mit Offenheit oder Abwehrhaltung, Nähe suchend oder distanziert, wertschätzend oder herablassend, mit Interesse oder gleichgültig, bestimmt von Anfang an unsere Begegnung mit ihm. Ob wir an jemanden mit der Absicht verstehen zu wollen oder abgestumpft, mit der Bereitschaft zum Zuhören und Einfühlen oder verschlossen, mit Freundlichkeit und Zuneigung oder mit Abweisung herantreten, ist für unsere Begegnung förderlich oder behindernd. Ob wir uns auf andere mit Erwartungen oder Befürchtungen, mit Vorurteilen oder unvoreingenommen, unbefangen oder abwartend und zurückhaltend, mit Feingefühl und Gespür oder teilnahmslos, mit Achtung oder verächtlich, mit Aufrichtigkeit oder Hintergedanken, mit Vertrauen oder Misstrauen zubewegen, ist für das Gelingen oder Misslingen von Begegnungen entscheidend.

Begegnungen hinterlassen Spuren. Begegnungen bewegen und verändern. Sie machen etwas mit uns. Selten gehen wir von einer Begegnung so weg, wie wir in sie hineinkommen sind. Begegnungen können nachhaltige Wirkungen hinterlassen:

Es gibt zerstörende und aufbauende Begegnungen.
Es gibt oberflächliche und tiefgehende Begegnungen.
Es gibt krankmachende und heilende Begegnungen.
Es gibt einengende und befreiende Begegnungen.
Es gibt enttäuschende und tröstende Begegnungen.
Es gibt beängstigende und Mut machende Begegnungen.
Es gibt lähmende und schöpferische Begegnungen.
Es gibt bedrückende und frohmachende Begegnungen.
Es gibt hasserfüllte und versöhnende Begegnungen.
Es gibt feindselige und freundschaftliche Begegnungen.
Es gibt schmerzvolle und beglückende Begegnungen.
Es gibt verdunkelnde und klärende Begegnungen.
Es gibt hemmende und erfüllende Begegnungen.
Es gibt Begegnungen von Kopf zu Kopf und von Herz zu Herz.

Begegnungen von Herz zu Herz, Begegnungen, die vom Herzen kommen und zum Herzen gehen, Begegnungen, die Menschen in ihrer Tiefe anrühren, rühren zugleich an das tiefste aller Geheimnisse: an das Göttliche. Sie sind Begegnungen mit dem Göttlichen.