Der Königsweg der Angstbewältigung
Matthäusevangelium 10, 26-33
Kommentar
Ein Freund erzählte uns von seiner glückseligen Beziehung zu seinem Vater: Ich hatte das Glück, einen ausgesprochen guten Papa zu haben. Als Kind fürchtete ich mich sehr vor Gewittern, aber nur wenn mein Papa nicht bei mir war. Wenn er da war, fühlte ich mich sicher und geschützt. Ich glaubte, dass mein Papa stärker ist als Blitz und Donner. Bei ihm kann mir nichts passieren. Einmal waren Papa und ich mit dem Fahrrad unterwegs. Ich saß auf dem Kindersitz. Ein Gewitter zog heran. Es begann immer lauter zu donnern und heftig zu regnen. Wir hatten noch einen ziemlich langen Weg vor uns bis nach Hause. Ich erinnere mich, wie ich damals zu meinem Papa sagte: „Ich fürchte mich nicht, weil du bei mir bist.” Ich weiß auch noch, wie ich im Alter von sieben, acht Jahren einmal zu ihm sagte: „Ich habe es so schön bei dir und Mama. Ich kann am Abend ohne Sorgen einschlafen und am Morgen ohne Sorgen aufwachen.” In meiner Kindheit und Jugendzeit fühlte ich mich bei meinen Eltern wunderbar geborgen. Von Papa und Mama ist nie Angstmachendes ausgegangen, nicht im Geringsten. Mit meinen Ängsten lief ich zu ihnen und fand Schutz, Hilfe und Trost.
Angst ist eine Grundbefindlichkeit unseres Lebens. Wir erleben unser Leben zerbrechlich, erfahren uns in unserer Existenz bedroht und vielen Gefahren ausgesetzt. Angst hat tausend Gesichter: Angst vor Gott, vor Mitmenschen und vor uns selbst, Angst im Zusammenhang mit unserer Vergänglichkeit und Sterblichkeit, Angst, nicht angenommen, anerkannt und geschätzt zu sein, Angst, nicht geborgen, sicher und geschützt zu sein.
Es gibt keine absolute irdische Sicherheit, keine dauerhafte Absicherung und keinen Halt, an dem wir uns uneingeschränkt festmachen können.
Wir sind überzeugt, dass die Angst Wurzel und Grundursache ist für den Großteil der unheilvollen Zustände in unserer kleinen und großen Welt. Darum hat die Heilung von Angst für das Heil unseres Lebens und das Heil der Welt größte Bedeutung und höchsten Rang.
Die große Frage heißt, wie wir unsere Angst bewältigen können. Psychologen bieten viele wertvolle Wege der Angstüberwindung an. Darauf gehen wir hier nicht näher ein. Wir schauen auf Jesus von Nazareth, um von ihm zu lernen. Wie geht er mit Angst um? Jesus wendet sich in seiner Angst an seinen Abba und spricht seine Angst vor ihm aus. Jesus ist erfüllt vom Urvertrauen eines Kindes, dass sein Abba ihn niemals fallen lässt, und dass er nie tiefer fallen kann als die Hände seines Abba. An seinen Abba klammert er sich in seiner Not. Im Schoß seines Abba weiß er sich aufgehoben. Jesus verkündet Gott als den, vor dem wir niemals Angst haben müssen, sondern bei dem wir in allen unseren Ängsten Festigkeit und Zuflucht finden.
Jesus zeigt uns sein Vertrauen auf seinen Abba. Sein Abba ist auch unser Abba. An zahlreichen Stellen überliefern uns die Evangelien seine Worte: „Fürchtet euch nicht! Habt keine Angst! Ich bin bei euch. Ich bin bei euch alle Tage.”
Vertrauen auf Jesus ist für uns die beste aller Möglichkeiten, sozusagen der Königsweg der Angstbewältigung. Es geht darum, kindliches Urvertrauen zu Jesus zu lernen, dass er uns in jeder Lebenssituation mit felsenfester Sicherheit hält und trägt und zur rechten Zeit alles so fügt und geschehen lässt, wie es recht und gut für uns ist.